Soeben hielt Bürgermeister Busch zum Tag der Heimat folgende Rede auf dem Manforter Friedhof "Sehr geehrte Damen und Herren, im Namen der Stadt Leverkusen begrüße ich Sie herzlich zur Gedenkfeier hier am Mahnmal der Vertriebenen - dem Ostdeutschen Kreuz. Wir begehen heute den Tag der Heimat und gedenken der Opfer des Krieges, von Flucht und Vertreibung. Die letzten Kriegmonate sind verbunden mit den schrecklichen Bildern, die Flüchtlingszüge durch verschneite Landschaften zeigen, als Millionen Deutsche ihr Zuhause verlassen mussten, um im Westen ein neues Leben anzufangen. Viele starben unterwegs an Hunger und Entkräftung. Das ist mehr als 60 Jahre her. Die Geschichte ist festgehalten auf alten Schwarz-Weiß-Fotografien und in historischen Dokumentationen. Die nachgewachsenen Generationen können kaum nachvollziehen, welche Verzweiflung, aber auch welcher Überlebenswille die Betroffenen damals erfüllt hat. Vieles war auch in den Herzen der Überlebenden fest verschlossen. Es dauerte Jahre, sogar Jahrzehnte, bis sie von dem Erlebten sprechen konnten. Erst jetzt - mit dem tröstenden Abstand der Zeit - finden manche Großeltern die Kraft, ihren Enkeln von dem erlittenen Trauma zu erzählen. Und die Enkel finden den Mut und vielleicht auch durch die jüngsten Fernsehberichte das nötige Feingefühl, um nach den Schicksalen ihrer Familien zu fragen. Doch über Heimat zu sprechen, scheint ein fast aussichtsloses Unterfangen gegenüber denen, die nicht dieselben Erinnerungen teilen. Welche Erklärungen man auch immer versucht, es geht um mehr als den Ort der Kindheit. Es geht um eine Vielzahl von unverwechselbaren Kleinigkeiten, die zusammengenommen ein Lächeln ins Gesicht bringen: Es geht um Dialekte, Landschaften, Geräusche, selbst Gerüche und Wetterverhältnisse. Die Autorin Christine Brückner hat dafür eine griffige Formel gefunden:"Jauche und Levkojen". Zum Mahnmal hier am Friedhof Manfort gehört aber auch der Friedensstein. An 66 Jahre Flucht und Vertreibung erinnern heißt heute auch, auf eine der längsten Friedenszeiten in Westeuropa hinzuweisen. Auf die beispiellose Aufbauleistung nach dem Kriege, an Energie, Strebsamkeit und Fleiß, durch die hier in Leverkusen ganze Stadtteile aufgebaut wurden und die Vertriebenen sich hier ihre neue Heimat geschaffen haben. Diese Stadt ist erst geworden, was sie heute ist, durch die Zuzüge aus dem Osten. Die Netzestraße, Weichselstraße, Oder-, Warthe- und Memelstraße erinnern in ihren Namen an die Herkunft vieler heutiger Leverkusener. Das Jahr 2011 markiert auch einen Meilenstein der beharrlichen Aussöhnungspolitik mit unseren polnischen Nachbarn. Vor zwanzig Jahren wurde der Deutsch-Polnische Nachbarschaftsvertrag unterzeichnet. Deutschland und Polen bekennen sich darin feierlich zur gemeinsamen Verantwortung für den Aufbau eines neuen, durch Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit vereinten und freien Europa. Als oberstes Ziel wollen sie den Frieden wahren und jede Art von Krieg verhindern. Die Rechte der deutschen Minderheit sind heute in der polnischen Verfassung garantiert. Wir gehören zu einem gemeinsamen Europa mit gemeinsamen Werten, in dem die Grenzen ihren trennenden Charakter verloren haben. Zum heute polnischen Ratibor haben sich zum Beispiel gute, freundschaftliche Kontakte entwickelt. Dies ist unter anderem der Lebensleistung der Vertriebenen und ihrer Nachkommen zu verdanken. Das Werk der Versöhnung, das immer wieder neuer Anstrengungen bedarf, verdient Anerkennung und Respekt. Wer wüsste auch den Wert von Recht und Frieden mehr zu schätzen als die Opfer von Willkür und Kriegsfolgen? Die Gedenkstunde steht unter dem Leitspruch des Jahres 2011: "Wahrheit und Dialog - Schlüssel zur Verständigung." Die Opfer der Kriege mahnen uns, an diesen Zielen festzuhalten und sie nicht zu vergessen. Gestatten Sie mir zum Schluss meiner Rede noch viele herzliche Grüße von Herrn Oberbürgermeister Reinhard Buchhorn persönlich zu überbringen. Herr Buchhorn hat mich gebeten, heute und hier zum Ausdruck zu bringen, dass er sich dem Bund der Vertriebenen auch ganz persönlich herzlich verbunden fühlt. Und dass Herr Buchhorn mit allergrößtem Bedauern und tief empfundener Anteilnahme der Familie von Herrn Sigisbert Nitsche kondoliert hat und auch an dieser Stelle zum Ausdruck gebracht wissen möchte, dass Herr Buchhorn Herrn Nitsche nicht nur persönlich gekannt, sondern ihn mit ihm die gleichen guten Gedanken und Auffassungen verbunden haben. Herr Buchhorn hat Sigisbert Nitsche sehr geschätzt als Mensch, als Persönlichkeit und als Verfechter der Belange der Vertriebenen aus den deutschen Ostgebieten in Leverkusen. Er und die Stadt Leverkusen werden Herrn Sigisbert Nitsche stets ein ehrendes Andenken bewahren." |