ChemCologne analysiert Verkehrsauslastung und Logistik-Trends

Chemielogistik im Rheinland – Investitionsstau bremst Wettbewerbsfähigkeit

Archivmeldung aus dem Jahr 2014
Veröffentlicht: 14.08.2014 // Quelle: ChemCologne

Als Ende 2012 aufgrund von Schäden die Leverkusener Autobahnbrücke für den Lastverkehr über 3,5 t zeitweise gesperrt werden musste, wurden viele Auftraggeber und Spediteure vor große Probleme gestellt. Die Diskussionen rund um die vielfach marode Infrastruktur im Köln-Düsseldorfer Raum machten schnell klar, dass es keine verlässlichen Daten und Fakten zu den besonderen Bedürfnissen der chemischen Industrie im Rheinland in Bezug auf logistische Anforderungen gibt. So beauftragte ChemCologne die Kompetenzgruppe Chemielogistik eine Studie zu erarbeiten, die die Knotenpunkte und Engpässe unter Betrachtung aller Verkehrsträger aufzeigt. Neben der Infrastrukturauslastung untersuchte das Autorenteam Chemielogistik-Angebot und -Nachfrage, Branchenstruktur der chemischen Industrie sowie Marktteilnehmer und Akteure im Rheinland.

Infrastrukturauslastung – Engpässe auf der Straße, Kapazitäten auf dem Rhein
Der Verkehrsträger Straße stößt im Rheinland an seine Grenzen. Aus der zeitweisen Sperrung für den Lastverkehr über 3,5 t ist mittlerweile eine dauerhafte geworden. Nun hat Straßen.NRW angekündigt, täglich zu prüfen, ob die Leverkusener Autobahnbrücke komplett gesperrt werden muss. Wegen der Sperrung für den Lastverkehr erwartet Chempark-Leiter und ChemCologne-Vorstandsvorsitzender Dr. Ernst Grigat für die Chempark-Unternehmen "Mehrkosten in Höhe von einem mittleren fünfstelligen Betrag pro Tag. Die Leverkusener Brücke ist für die Versorgung unserer Chempark-Standorte, insbesondere Leverkusen und Dormagen, von zentraler Bedeutung. Die erneute Sperrung für Lkw bedeutet für die im Chempark produzierenden Unternehmen ganz erhebliche Einschränkungen für den Transport. Jetzt müssen die Lkw wieder große Umwege auf den ohnehin schon stark belasteten Straßen im Köln-Düsseldorfer Raum machen."

Während sich die Situation auf der Straße für die chemische Industrie als sehr kritisch darstellt, sind auf den Wasserstraßen – für das Rheinland im Wesentlichen der Rhein – prinzipiell Kapazitäten verfügbar. „Der Rhein hat noch Luft“, so Grigat. Die Einschränkungen liegen hier in der Verfügbarkeit spezialisierter Binnenschiffe. Die Zeiträume der eingeschränkten Nutzbarkeit durch Hoch- oder Niedrigwasser nehmen stark zu, die insbesondere von Duisburg aus stromaufwärts für Kapazitätsminderungen sorgen oder zeitweise gar keine Nutzung zulassen. Eine wichtige Forderung ist der Ausbau der Fahrrinne südlich von Duisburg auf 2,80 m.

Chemielogistik-Trends mit spezifischer Auswirkung auf das Rheinland
Zahlreiche Experteninterviews mit Produzenten der chemischen Industrie, Chemielogistikern, Chemiestandort-Managern, öffentlichen und privaten Infrastrukturbetreibern sowie Multiplikatoren aus Wirtschaft und Politik im Untersuchungsgebiet wurden geführt und ausgewertet. Daraus lassen sich drei Trends mit spezifischer Auswirkung auf das Rheinland ableiten.

Trend 1: Bi-/trimodale Verkehrsverlagerung
Intermodaler Verkehr muss und wird zunehmen. Insbesondere aus den Gründen, dass das Rheinland einen großen Anteil an innerrheinländischen Verkehren aufweist, aber auch als Transitland zwischen den ZARA-Häfen (Zeebrügge, Antwerpen, Rotterdam und Amsterdam) und den Binnenstandorten fungiert. Insofern verbinden sich mit der bi- und trimodalen Verkehrsverlagerung zugleich Chancen und Risiken. Die Chancen liegen auf Seiten der Anbieter von Umschlagsleistungen und Anbietern des Kombinierten Verkehrs. Diese Anbieter können sich mittelfristig gemeinsam Gedanken machen, welche Leistungsangebote im Rheinland erfolgreich sein werden. Das Verständnis der Region, als ZARA-Hinterland-Knotenpunkt zu agieren, könnte neue innovative Logistikkonzepte hervorbringen. Als Risiko ist das Zusammenbrechen des kompletten Rheinland-Verkehrs durch Überlastung zu sehen. Die identifizierten Risiken sind hier: fehlende Chemie-Logistikflächen, hohe Kosten für den Ausbau der Infrastruktur (z. B. Versiegelung der Umschlagsfläche), unattraktive Angebote für Einzelwagenverkehre auf der Schiene, kein angemessener Erhalt der öffentlichen Straßen-, Schienen-, und Binnenschiff-Infrastruktur, Verzögerung von strategisch wichtigen Infrastrukturprojekten durch Kommunikationsprobleme zwischen Öffentlichkeit und Investoren.

Trend 2: Höhere Importquote
Die kostengünstige Grundstoffherstellung im Ausland, sowohl in Asien als auch in Amerika, wird zu einer Stagnation der Basischemie in Europa führen und damit zu einem höheren Import von Grundstoffen für die Herstellung von Spezialchemikalien nach Europa. Die zentralen Anlaufstellen für die Grundstoffe sind die Häfen in den Niederlanden und Belgien. Die anschließende Verteilung der Rohstoffe in Richtung Osten erfolgt dann durch das Rheinland über die Wasser-, Schienen- und Straßenwege. Das Rheinland ist das Transitland Nr. 1 für Chemiegüter und wird diese Stellung durch erhöhte Importe noch ausbauen. Diesem Ausbau muss in den Infrastrukturen und der Optimierung der Wertschöpfungsketten Rechnung getragen werden.

Trend 3: Zu geringe Logistik-Investitionen
Sowohl auf der privatwirtschaftlichen, als auch auf der öffentlichen Seite existiert große Zurückhaltung bei der Investition in chemielogistische Infrastruktur. Die Schienen- und Straßeninfrastruktur sind unterfinanziert. Produzenten und Logistiker haben keine Einigkeit über den Bau langfristig wichtiger Infrastrukturen. Hierbei geht es nicht ausschließlich um den Neubau von Infrastruktur, sondern auch um die Instandhaltung und Revitalisierung von existierenden Infrastrukturen. Die Chemieproduzenten kalkulieren den Neubau einer Chemielogistik-Infrastruktur mit den chemieüblichen Renditen und Amortisationen. Die Logistik und die Chemie sind jedoch seitens der Erträge weit voneinander entfernt. Die Logistikdienstleister, in vielen Fällen familiengeführte Unternehmen, können nur investieren, wenn mittelfristige Zusagen zur Nutzung der Infrastruktur vorliegen und die Fläche eigentumsrechtlich zu erwerben ist. Zudem differieren die Kosten für eine Investition an einem Chemiestandort von den Standortkosten einer freien Fläche außerhalb des Chemiestandortes. Außerdem stehen in der Nähe der Chemiestandorte im Rheinland nur wenig geeignete Flächen zur Verfügung.

Dieses Investitionsdilemma kann gelöst werden, wenn die öffentlichen Infrastrukturinvestoren mit den betroffenen Industrieunternehmen im Rheinland die Prioritäten diskutieren, die Eigentümer der Chemiestandortflächen größere Flexibilität bei den Kosten für Logistikinfrastruktur zeigen und die Partnerschaft zwischen Produzent und Chemielogistiker zu längerfristigen Vereinbarungen führen. Kurzfristig hilft eine größere Online-Verfügbarkeit von Informationen zu Lager- und Umschlagmöglichkeiten im Rheinland und deren freien Kapazitäten.

Fazit:
Für die chemische Industrie ist eine funktionierende Verkehrs-Infrastruktur lebensnotwendig. Während die Straßeninfrastruktur deutlich an ihre Grenzen stößt, bieten das Binnenschiff und die Schiene grundsätzlich noch Potenziale. Zur Bewältigung der zukünftigen Transportaufkommen sind alle Verkehrsträger gleichermaßen auszubauen und zu erhalten. Insbesondere die Verknüpfung der Verkehrsträger untereinander wird weiter an Bedeutung gewinnen. Außerdem müssen Investitionen in chemiespezifische Logistikinfrastrukturen (z. B. Gefahrstofflager) vorangetrieben werden. Die Betroffenen bei den Investitionsvorhaben sind die Öffentliche Hand/Politik, die Chemieunternehmen/Verlader, die Chemiestandortmanager sowie die Logistikdienstleister für allgemeine und spezifische Logistikdienstleistungen in den Bereichen Transport, Umschlag, Lagerung, Disposition, Supply Chain Management und Beratung. Eine Beibehaltung der Wettbewerbsfähigkeit der rheinländischen Chemie kann nur im Schulterschluss aller Beteiligten erfolgen. Daher ist auch die Verknüpfung der verschiedenen Sichtweisen maßgeblich für den Erfolg.


Über ChemCologne:
ChemCologne ist eine Initiative mit dem Ziel, die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit der Chemie-Region weiter zu entwickeln und sie bei in- und ausländischen Investoren noch bekannter zu machen. ChemCologne wird gefördert und unterstützt von den Chemieunternehmen der Region, dem Arbeitgeberverband Chemie Rheinland, Städten und Kreisen der Region, der IHK zu Köln, der Bezirksregierung Köln, Hochschulen, der Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Landes NRW.INVEST sowie der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie. Die ChemCologne-Region erstreckt sich von Krefeld bis Bonn und von Aachen bis Wuppertal. Sie zeichnet sich durch eine außergewöhnliche Agglomeration sowohl von Chemie- und Industrieparks sowie bedeutender Industrieunternehmen als auch Bildungsinstituten wie Hochschulen und Akademien aus. Sie ist mit mehr als 20 Prozent des gesamten deutschen Chemieumsatzes die stärkste Chemieregion Europas.


Anschriften aus dem Artikel: Albert-Einstein-Str 58, Alte Landstr 129

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