Heimattreffen der Treuburger Kreisgemeinschaft in Düsseldorf


Archivmeldung aus dem Jahr 2011
Veröffentlicht: 04.09.2011 // Quelle: Stadtverwaltung

Bürgermeister Friedrich Busch hielt soeben folgende Rede im Düsseldorfer Gerhart-Hauptmann-Haus:

"Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Treuburgerinnen und Treuburger,

sehr gerne bin ich zu Ihrem diesjährigen Treffen der Kreisgemeinschaft gekommen, und überbringe Ihnen die Grüße der Stadt Leverkusen.

Es ist für mich ein besonderes Ereignis, dass ich außerhalb unserer Stadtgrenzen zu Ihnen spreche. Doch in Leverkusen gibt es einige Baustellen und strukturelle Änderungen, und Sie haben im Gerhart-Hauptmann-Haus, dem Deutsch-Osteuropäischen Forum des Landes Nordrhein-Westfalen, eine gute Zwischenlösung für Ihr Treffen gefunden. Ich darf Ihnen allerdings versichern, dass wir uns darauf freuen, Sie künftig wieder in Leverkusen willkommen zu heißen.

Einen herzlichen Gruß überbringe ich Ihnen auch von Herrn Oberbürgermeister Buchhorn. Er befindet sich noch in seinen letzten Urlaubstagen und kann zu seinem Bedauern heute nicht selbst zu Ihnen sprechen.

Wir begehen an diesem Wochenende den Tag der Heimat und gedenken der Opfer des Krieges, von Flucht und Vertreibung. Die letzten Kriegmonate sind verbunden mit den schrecklichen Bildern, die Flüchtlingszüge durch verschneite Landschaften zeigen, als Millionen Deutsche ihr Zuhause verlassen mussten, um im Westen ein neues Leben anzufangen. Viele starben unterwegs an Hunger und Entkräftung.

In Leverkusen werde ich morgen gemeinsam mit dem Bund der Vertriebenen am Ostdeutschen Kreuz auf dem Manforter Friedhof der Opfer von Krieg und Vertreibung gedenken. Es ist eine Geschichte, mehr als 60 Jahre vergangen, die in den Erinnerungen und den Herzen der Betroffenen tiefe Spuren hinterlassen hat.
Die nachgewachsenen Generationen können kaum nachvollziehen, welche Verzweiflung, aber auch welcher Überlebenswille die Betroffenen damals erfüllt hat.

Viele Betroffene konnten über Jahre, sogar Jahrzehnte, nicht über das Erlebte sprechen. Erst jetzt - mit dem tröstenden Abstand der Zeit - finden manche Großeltern die Kraft, ihren Enkeln von dem erlittenen Trauma zu erzählen. Und die Enkel finden den Mut und vielleicht auch durch die jüngsten Fernsehberichte das nötige Feingefühl, um nach den Schicksalen ihrer Familien zu fragen.

Doch über Heimat zu sprechen, scheint manchmal ein aussichtsloses Unterfangen gegenüber denen, die nicht dieselben Erinnerungen teilen. Welche Erklärungen man auch immer versucht, es geht um mehr als den Ort der Kindheit. Es geht um eine Vielzahl von unverwechselbaren Kleinigkeiten, die zusammengenommen ein Lächeln ins Gesicht bringen: Es geht um Dialekte, Landschaften, Geräusche, selbst Gerüche und Wetterverhältnisse. Die Autorin Christine Brückner hat dafür eine griffige Formel gefunden:"Jauche und Levkojen".

Treffen wie das heutige tragen viel dazu bei, die 1945 so gewaltsam auseinander gerissene Gemeinschaft der Treuburger zusammen zu halten. Nicht ohne Grund laden Sie für das nächste Jahr zu einem Treffen der Generationen ein. Die Frage, wer wir sind und wo unsere familiären Wurzeln liegen, treibt uns Menschen immer wieder um.

Um so wertvoller ist das Zusammenwachsen Europas, in dem die Grenzen ihren trennenden Charakter verlieren. Reisen in das schöne Masuren gehören längst zum touristischen Angebot von Reiseveranstaltern und werden nicht nur von Heimweh-Touristen wahrgenommen.

An 66 Jahre Flucht und Vertreibung erinnern heißt heute auch, auf eine der längsten Friedenszeiten in Westeuropa hinzuweisen. Das Jahr 2011 markiert auch einen Meilenstein der beharrlichen Aussöhnungspolitik mit unseren polnischen Nachbarn. Vor zwanzig Jahren wurde der Deutsch-Polnische Nachbarschaftsvertrag unterzeichnet. Deutschland und Polen bekennen sich darin feierlich zur gemeinsamen Verantwortung für den Aufbau eines neuen, durch Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit vereinten und freien Europa. Als oberstes Ziel wollen sie den Frieden wahren und jede Art von Krieg verhindern. Die Rechte der deutschen Minderheit sind heute in der polnischen Verfassung garantiert. Wir gehören zu einem gemeinsamen Europa mit gemeinsamen Werten.

Zum heutigen Olecko haben sich gute, freundschaftliche Kontakte entwickelt. Dies ist unter anderem der Lebensleistung der Vertriebenen und ihrer Nachkommen zu verdanken. Das Werk der Versöhnung, das immer wieder neuer Anstrengungen bedarf, verdient Anerkennung und Respekt.

Deshalb möchte ich Ihnen zum Abschluss noch eine gute Nachricht vermelden.
Die Linde, die Sie vor einem Jahr im Leverkusener Neuland-Park gepflanzt haben, wächst und gedeiht und erfreut sich guter Gesundheit.
Wie einige von Ihnen sich erinnern, ist das keineswegs selbstverständlich: Bei der Pflanzung hatte das Bäumchen im unteren Bereich einen sichtbaren Spalt, einen so genannten "Frostriss" in der Rinde durch frühen starken Frost. Doch vielleicht haben Sie dem Baum etwas von der ostpreußischen Zähigkeit mit auf den Weg gegeben. Die Experten vertrauen jedenfalls völlig auf die Selbstheilungskräfte der Natur und sind sicher, dass die Linde noch lange von der nun 55-jährigen Verbundenheit von Leverkusen und den Treuburgern kündet.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen alles Gute für das heutige Treffen und gute Gespräche."


Anschriften aus dem Artikel: Alte Landstr 129, Albert-Einstein-Str 58

Kategorie: Politik
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