Wir brauchen einen Ruck hin zu einer kommunalfreundlichen Gesetzgebung

Aktionsbündnis „Raus aus den Schulden“ hofft auf wirksames Entschuldungskonzept der neuen Landesregierung

Archivmeldung aus dem Jahr 2010
Veröffentlicht: 05.07.2010 // Quelle: Stadtverwaltung

Das Aktionsbündnis „Raus aus den Schulden“, in dem inzwischen 19 Städte und sieben Kreise mit mehr als acht Millionen Einwohnern zusammenarbeiten, macht parteiübergreifend weiter politisch Druck.

Bei der jüngsten Fachkonferenz der Kämmerinnen und Kämmerer des Aktionsbündnisses in Mülheim an der Ruhr wurden die bisherigen Absichtserklärungen der künftigen Koalitionspartner auf Landesebene zur Neuordnung der Kommunalfinanzen einhellig begrüßt. Wichtig sei allerdings, dass auch das Problem der strukturellen Unterfinanzierung der meisten Kommunen gelöst wird.

„Ein Entschuldungsfonds kann nur nachhaltig wirken, wenn gleichzeitig strukturelle Veränderungen in der Kommunalfinanzierung entstehen. Hierzu gehört beispielsweise eine viel stärkere Beteiligung des Bundes an der Wachstumsdynamik der Soziallasten und den Kosten für die Erhöhung des Betreuungsangebotes für unter 3-jährige Kinder“, so Uwe Bonan, Kämmerer der Stadt Mülheim an der Ruhr, und Sprecher seiner Fachkollegen des Aktionsbündnisses.

Die Finanznot vieler Kommunen in Nordrhein-Westfalen verschlimmert sich mit besorgniserregender Geschwindigkeit. Der bundesweit renommierte Finanzwissenschaftler Prof. Martin Junkernheinrich von der Universität Kaiserslautern, der jetzt von der Landesregierung NRW gemeinsam mit Dr. Thomas Lenk von der Universität Leipzig mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt wurde, um Kriterien zur Finanzhilfe für Kommunen zu entwickeln, sprach bei dieser Kämmerer-Konferenz von einer „explosiven kommunalen Schuldenentwicklung“.

Nach seiner Analyse sind im vergangenen Jahr die Kassenkredite der bereits massiv verschuldeten nordrhein-westfälischen Kommunen monatlich um 220 Millionen Euro gestiegen (in Leverkusen 5,4 Mio. €).

Angesichts der Wirtschaftskrise dürfte die Zunahme in den nächsten Monaten weitaus höher ausfallen. Demnach müssten die Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen in diesem Jahr Monat für Monat bis zu 500 Millionen Euro zusätzliche Kassenkredite aufnehmen, um die ihnen durch Bundes- und Landesgesetze übertragenen Aufgaben zu erfüllen (in Leverkusen 5, 4 Mio. €). Das bedeute monatlich eine zusätzliche Zinsbelastung von über 5 Millionen Euro (in Leverkusen 54.000 T€).

Der gefährlichste finanzpolitische Sprengstoff steckt dabei vor allem in den sozialen Lasten. Dazu Prof. Junkernheinrich: „Für die meisten verschuldeten Kommunen bleibt kein Raum mehr für die Kommunale Selbstverwaltung, weil sie in vielen Fällen die Hälfte ihrer Einnahmen zur Finanzierung von Leistungen verwenden müssen, zu der sie ohne ausreichende Gegenfinanzierung verpflichtet sind. Jeder Monat, den Land und Bund zuwarten, kostet den Steuerzahler enormes Geld.“

Junkernrheinrichs Berechnung macht deutlich, dass die Finanzmisere vieler nordrhein-westfälischer Kommunen im wesentlichen keine Folge falscher finanzpolitischer Entscheidungen vor Ort ist. Die Vertreter der Städte des Aktionsbündnisses sehen sich deshalb nicht als Bittsteller, wenn sie vom neuen Landtag und der neuen Landesregierung klare Unterstützung für einen kommunalen Entschuldungsfond und vom Bund möglichst umgehend ausreichende Finanzhilfen vor allem im Sozialbereich einfordern.

Stadtkämmerer Bonan redet Klartext: „Wir fordern nachdrücklich und verfassungsgemäß eine angemessene kommunale Finanzausstattung. Die kommunale Finanznot gefährdet die Gleichheit der Lebensverhältnisse, weil sich die Schere zwischen armen und reichen Kommunen immer weiter öffnet und kommunale Gestaltungsmöglichkeit verloren geht. Für den neuen NRW-Innenminister und den neuen NRW-Finanzminister wird ein wichtiger Termin ein baldiges Gespräch mit uns sein müssen. Darum bitten wir bereits jetzt.“

Stadtkämmerer Rainer Häusler ergänzt aus Leverkusener Sicht: „Den Bitten werden Forderungen, Proteste und Demonstrationen so lange folgen müssen, bis ein Ruck durch unsere Gesellschaft und die Köpfe der politisch Verantwortlichen bei Bund und Land geht. Ein Ruck, dem eine kommunalfreundliche Gesetzgebung folgt, die

• das Verbot von Leistungsgesetzen von Bund und Land zu Lasten der Kommunen beinhaltet
• den Entzug der Finanzierungsgrundlagen der Kommunen (Steuern) durch Bund und Land verbietet und
• die Befreiung von Zahlungsverpflichtungen in den Fonds Deutscher Einheit für Kommunen vorsieht, die keinen ausgeglichenen Haushalt haben. Ansonsten ist mit den Städten kein Staat mehr zu machen“.


Anschriften aus dem Artikel: Alte Landstr 129, Albert-Einstein-Str 58

Kategorie: Politik
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