Zwischen Mitternacht und Morgen: Schwanensee

Ballett der Staatsoper Hannover: Erstes Gastspiel der Produktion und einzige Vorstellung in Nordrhein-Westfalen

Archivmeldung aus dem Jahr 2004
Veröffentlicht: 09.04.2004 // Quelle: KulturStadtLev

Zwischen Mitternacht und Morgen - das ist die dunkle Zeit, in der der Mensch sich selbst begegnet, seinen Ängsten, seinen Hoffnungen und seinen Träumen.
In Tschaikowskis Ballett ist es der Zeitraum, in dem die Schwanenprinzessin Odette ihre menschliche Gestalt wiedererlangt. Die Zeit also, in der sich das Drama um die Liebenden Siegfried und Odette abspielt, deren Beziehung von Rotbart und Odile überschattet wird.

Die tragische Leidenschaft, die dieses Stück zum bekanntesten aller Ballettklassiker gemacht hat, ist für Stephan Thoss Ausgangspunkt seiner Neufassung von „Schwanensee“ geworden. Nach der überlieferten Handlungsstruktur erzählt er die Geschichte der jungen Odette, die sich in den charismatischen Rotbart verliebt, dem es aber mehr um sich selbst geht als um sie. Tief betroffen von seiner Unfähigkeit, ihre Gefühle zu erwidern, verwandelt sie sich in ein Wesen, das den Verletzungen durch andere Menschen entzogen ist - einen Schwan. Diese Existenz reiner Unschuld und Unberührbarkeit teilt Odette mit einer Gruppe von anderen „Schwanenwesen“.
In Odette keimt neue Hoffnung auf, als sie Siegfried kennen lernt. Bei ihm findet sie die Hingabe und Sensibilität, die sie bei Rotbart vermisst hat. Doch die Erinnerung an die erste Enttäuschung bleibt. Als sich Siegfried, verwirrt durch Odettes Zögern, der faszinierenden Odile zuwendet, sieht Odette sich in ihren Vorurteilen bestätigt: Wer vertraut, wird betrogen - eine Erlösung durch Liebe ist nicht möglich.

Mit seiner Interpretation von „Schwanensee“ setzt Stephan Thoss eine Tradition fort, die Marius Petipa und Lew Iwanow als Choreografen mit ihrer 1895 in St.Petersburg entstandenen, richtungsweisenden Fassung begonnen haben. Schon diese war eine Weiterentwicklung der 1877 erstaufgeführten Urfassung.
Thoss’ Interesse gilt dem emotionalen Beziehungsgeflecht der vier Hauptpersonen, den Täuschungen und Enttäuschungen, die sie in der Liebe erfahren. Seine bewegende Geschichte von Odette, Rotbart, Siegfried und Odile ist nicht mehr in einer Märchenwelt angesiedelt, die von Prinzen, Prinzessinnen und Zauberern bevölkert ist. Für ihn werden die Protagonisten zu Menschen, deren psychologische Entwicklungen er differenziert schildert.
Die mitreißend leidenschaftliche Musik Tschaikowskis bildet für Stephan Thoss dabei die Grundlage der Handlung, und ein genauer Blick auf die historische Vorlage war für ihn in der Erarbeitung seiner Interpretation wichtig. So bleibt z.B. die Grundstruktur des Stücks mit dem Wechsel zwischen einer realen Welt der Gesellschaft und der traumhaften Welt der Schwäne erhalten. Und auch Bühnen- und Kostümbildnerin Tina Kitzing hat in ihre Entwürfe historische Elemente wie die weißen Tutus der Schwäne einbezogen. - „Riesenjubel für die zeitgemäße Stephan-Thoss-Fassung... „Schwanensee“ ist eins der größten Bravour-Stücke. Und das ist auch bei Thoss noch zu spüren. So weit hat er sich dem klassischen Ballett noch nie angenähert - mit kraftvollen Sprüngen und einigen atemberaubenden Pas de deux...“ Neue Presse 02.02.2004.

Nach dem erfolgreichen Gastspiel mit „Giselle M“ im Januar 2003 ist die Kompanie von Stephan Thoss mit einer neuen, eindrucksvollen und spektakulären Choreografie wieder im Forum zu Gast. Damit dieses allererste Gastspiel des Stückes, das erst am 31. Januar 2004 in Hannover Premiere hatte, in Leverkusen realisiert werden konnte, musste der angekündigte Vorstellungstermin vom 6.5. auf den 16.6.2004 verschoben werden.

Biographie – Stephan Thoss, seit der Spielzeit 2001 / 2002 Ballettdirektor der Staatsoper Hannover, absolvierte seine tänzerische Ausbildung an der Palucca Schule Dresden. Dort prägte ihn besonders die Zusammenarbeit mit Patricio Bunster, Solist bei Kurt Jooss und später Leiter des Nationalballetts in Chile. In einem dreijährigen Zusatzstudium vermittelte er Stephan Thoss die Lehre des Deutschen Ausdruckstanzes, basierend auf den Theorien Rudolf von Labans.1983 wurde Thoss an das Ballett der Staatsoper Dresden engagiert. 1989 wechselte er an die Komische Oper in Berlin und später an das Staatstheater Kassel. 1990 gewann er mit seiner Choreographie „D-x“ den zweiten Hauptpreis beim Internationalen Wettbewerb für Choreographen. Kurz danach kehrte er als Solotänzer an die Staatsoper Dresden zurück, wo er in den folgenden Jahren verstärkt auch als Choreograph arbeitete.
Zu den Uraufführungen, die er dort herausbrachte gehören u.a. Jahreszeiten (1992 / Musik: Vivaldi), Toteninsel (1993 / Rachmaninow), Romeo und Julia (1994 / Prokofjew), Altera Pars (1996 / Glass), Teufel-Engel (1996 / Reich) und Schein (1998/ Webern/Ravel).

1993 erhielt Thoss den Mary Wigman Preis der Stiftung zur Förderung der Semperoper für besondere cho-reographische Leistungen, ein Jahr später folgte die Medaglia Laurenziana in Florenz und 1997 der Kunst-preis der Stadt Dresden.
Thoss erste Choreographie „My way“ zu Musik von Frank Sinatra und „Teufel-Engel“ wurden vom ZDF aufgezeichnet und ausgestrahlt.

1994 choreographierte Stephan Thoss auf Einladung von Marcia Haydée für das Stuttgarter Ballett Strawinskys „Les Noces“. Es folgten weitere Uraufführungen für das Stuttgarter Ballett, das Bayerische Staatsballett, das Hamburg Ballett und das Balletto di Toscana in Florenz.
Zahlreiche Tourneen führten ihn und die Thoss-TanzKompanie nicht nur an verschiedene Gastspielorte in Deutschland sondern auch nach Indonesien, Taiwan, Brasilien, Finnland, Thailand, Italien, die Schweiz und Frankreich.

1998 übernahm Stephan Thoss die Leitung des Balletts der Bühnen der Landeshauptstadt Kiel. Hier choreographierte er u.a. „Schlaraffenland ist abgebrannt“ (1998), Giselle M. (1999 / Adam), Bolero (1999 / Ravel), Intervalle (2000 / Pärt/Bach) und Feuervogel (2001 / Strawinsky).
Die Choreographie „Schlaraffenland ist abgebrannt“ wurde 1999 mit dem Bayerischen Theaterpreis ausgezeichnet.

Musik von Peter I. Tschaikowski
Choreografie von Stephan Thoss
Bühne und Kostüme: Tina Kitzing
Dramaturgie: Anja von Witzler

Odette: Mia Johansson
Rotbart: Uwe Fischer
Siegfried: Zoran Markovič
Odile: Maša Kolar

Termin:
Mittwoch, 16.06.2004, 19.30 Uhr

Ort: Forum – Großer Saal

Karten:
25,50 bis 14,00 Euro
(erm.: 13,25 bis 7,50 Euro)
Kartenbüro im Forum (Tel. 0214-406 4113), Stadt-Info im City-Point (Tel. 0214-86 61-111), an allen Ticket-Online-Vorverkaufsstellen, über Internet (www.kulturstadtlev.de) sowie eine Stunde vor der Veranstaltung an der Tageskasse


Anschriften aus dem Artikel: Albert-Einstein-Str 58, Alte Landstr 129

Kategorie: Kultur
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