Covestro startet industrielle Kunststoff-Herstellung mit CO2:Premiere für neuen Rohstoff

Innovatives Verfahren ermöglicht Einsparung von Erdöl
• 20 Prozent Kohlendioxid in neuartiger Schaumstoff-Komponente

Archivmeldung aus dem Jahr 2016
Veröffentlicht: 17.06.2016 // Quelle: Covestro

Kohlendioxid statt Erdöl – Covestro nutzt jetzt erstmals in industriellem Maßstab CO2 in der Kunststoff-Herstellung. Das Unternehmen eröffnete am Freitag an seinem Standort Dormagen bei Köln eine Anlage zur Produktion einer neuartigen Schaumstoff-Komponente mit 20 Prozent CO2-Anteil. In entsprechender Menge wird der traditionelle Rohstoff aus Erdöl eingespart – ein Beitrag zur Nachhaltigkeit, in dem Covestro erhebliches Potenzial sieht.

„Man muss und wird CO2 mit anderen Augen wahrnehmen: Seine Verwendung als alternative Kohlenstoffquelle ist die Antwort auf große Herausforderungen unserer Zeit – Ersatz zu finden für die begrenzten fossilen Ressourcen wie Öl und Gas und Stoffkreisläufe zu schließen. Mit unserem innovativen Verfahren und dem Startschuss in Dormagen sehen wir uns als Vorreiter in dieser Richtung, getreu unserer Vision ‚To make the world a brighter place‘ – die Welt lebenswerter machen“, sagte Covestro-Vorstandsvorsitzender Patrick Thomas bei der Eröffnung vor über 150 Gästen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik.

Langfristige Perspektive
„Auf dem Weg in eine nachhaltige Zukunft ist die stoffliche Nutzung von Kohlendioxid ein wichtiger Schritt. Die Bundesregierung fördert die Nutzung von CO2 als Rohstoff, um die Rohstoffbasis der chemischen Industrie zu verbreitern und um neue Wege der Nachhaltigkeit zu eröffnen“, betonte Thomas Rachel, Parlamentarischer Staatsekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung. Dieses hatte auch die CO2-Technologie von Covestro in der Forschungs- und Entwicklungsphase finanziell unterstützt.

Professor Dr. Ernst Schmachtenberg, Rektor der RWTH Aachen University, fügte hinzu: „Das reaktionsträge Molekül Kohlendioxid in effizienter Weise chemisch zu nutzen, ist eine wissenschaftliche und technische Herausforderung. Im Zusammenspiel von anwendungsnaher Grundlagenforschung und forschungsbasierter Industrie ist uns hier ein Durchbruch gelungen.“

Covestro-Wissenschaftler hatten Hand in Hand mit Experten des CAT Catalytic Center in Aachen – einer gemeinsam mit der RWTH betriebenen Forschungseinrichtung – den passenden Katalysator gefunden, der die chemische Reaktion mit CO2 erst möglich macht.

Für Matratzen und Polstermöbel
Mit dem Kohlenstoff aus CO2 stellt Covestro in Dormagen jetzt eine neue Form sogenannter Polyole her. Das sind zentrale Bausteine für Polyurethan-Schaumstoff – ein vielseitiges Material, das weltweit in zahlreichen Industrien und Alltagsbereichen verwendet wird. Das Kohlendioxid wird chemisch fest in das Material eingebunden.

Die neue Anlage, in die das Unternehmen rund 15 Millionen Euro investiert hat, besitzt eine Produktionskapazität von 5.000 Tonnen pro Jahr. Das verwendete CO2 fällt bei einem benachbarten Chemieunternehmen als Abfallprodukt an.

Das neue Polyol auf CO2-Basis ist zunächst für Polyurethan-Weichschaum und den Einsatz in Matratzen und Polstermöbeln konzipiert. Von der Qualität ist der Schaumstoff mindestens ebenso gut wie konventionelles Material, das komplett aus petrochemischen Rohstoffen und damit letzten Endes Erdöl hergestellt wird.

Umweltverträgliches Verfahren
Durch den Wegfall des Öls und der Energie, die eigentlich zu dessen Aufbereitung benutzt wird, ist das Verfahren zudem umweltverträglicher als herkömmliche Produktionsprozesse. Dank des Katalysators und des Energiereichtums der verbleibenden Menge an petrochemischem Rohstoff muss außerdem keine zusätzliche Energie von außen zugeführt werden, um das träge CO2 zur Reaktion zu bringen.

Falls die neuen CO2-basierten Produkte den erhofften Anklang finden, kann sich Covestro vorstellen, die Produktion deutlich auszuweiten. Das Unternehmen arbeitet insgesamt daran, nicht nur Weichschaum, sondern möglichst noch viele andere Kunststoffe mit Hilfe von Kohlendioxid herzustellen. Ziel ist, in Zukunft in größerem Maße auf Erdöl in der Kunststoffherstellung verzichten zu können.



Übersetztes Redemanuskript von Patrick W. Thomas
Vielen Dank, liebes CO2-Trio!

Nun sind wir im wahrsten Sinne des Wortes eingestimmt auf das Thema und die heutige Veranstaltung, zu der ich Sie ganz herzlich begrüße, meine Damen und Herren. Schön, dass Sie hier sind!

Theater. Das ist gemeinhin Illusion. In diesem Fall ist die Illusion aber sehr nahe an der Realität. Denn was uns die Schauspieler in ihrem Stück nahebringen, das ist ein Traum, der wahr geworden ist. Ein Traum, den Chemiker seit vielen Jahren geträumt haben. Ein Traum, der im Grunde uns alle betrifft.

Uns, die wir Jahr für Jahr zusehen müssen, wie Milliarden Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre steigen – aus Fabriken, Häusern, Autos. Dass dies nicht ohne Folgen für die Umwelt bleibt, ist sicherlich unbestritten.

CO2, das unpopuläre Treibhausgas – so ist gemeinhin die Wahrnehmung. Doch das ist eigentlich nur die halbe Wahrheit. Denn wie im Theater sich der vermeintliche Bösewicht häufig als Held erweist, so hat auch Kohlendioxid sozusagen zwei Gesichter. Es ist nämlich gleichzeitig ein nützlicher Helfer.

Zum Beispiel lässt Kohlendioxid die Pflanzen wachsen. Wir wissen es ja aus dem Biologieunterricht: CO2 plus Sonnenlicht ergibt Kohlenhydrate, den Baustoff und Energiequell von Blumen, Hecken und Bäumen. CO2 sorgt aber auch für den Sprudel im Mineralwasser, es steckt in Feuerlöschern oder dient als Kühlmittel.

Und mehr noch: CO2 ist auch der Stoff, aus dem die Träume vieler Menschen in meiner Branche sind, der Kunststoffindustrie. 1969 hat zum ersten Mal ein Wissenschaftler aus Japan diesen Traum beschrieben – nämlich das im CO2 enthaltene Element Kohlenstoff zu nutzen, um Kunststoffe herzustellen.

Der große Vorteil: Auf diese Weise lassen sich fossile Rohstoffe wie Erdöl und Erdgas einsparen, aus denen die Industrie üblicherweise den nötigen Kohlenstoff bezieht. Eine großartige Perspektive also zur Verbreiterung der Rohstoffbasis und zur Ressourcenschonung.

Und heute, nach mehr als vier Jahrzehnten, wird diese Perspektive Wirklichkeit. Dank eines neuen Verfahrens, das wir bei Covestro zusammen mit Partnern entwickelt haben. Und das wir nun umsetzen – in der Produktionsanlage, die gleich offiziell eröffnet wird. Dort werden wir mit CO2 eine wichtige Komponente herstellen, die man für Schaumstoffe in Matratzen und Polstermöbeln benötigt. Bald werden wir auf CO2 schlafen können!

Doch bevor wir auf den Startknopf drücken, möchte ich ganz besonders zwei Ehrengäste begrüßen: Thomas Rachel, Staatssekretär im Bundesforschungsministerium in Berlin, und Professor Ernst Schmachtenberg, Rektor der RWTH Aachen University. Herzlich willkommen!

Sie verkörpern Wissenschaft und Politik. Und es ist exakt das Zusammenspiel von Wissenschaft, Politik und Industrie, dem die Verwirklichung des Traums vom alternativen Rohstoff CO2 verdanken ist.

Es ist nämlich alles andere als trivial, das Molekül in Kunststoffe einzubauen. Dazu bedurfte es neben viel Ausdauer, Leidenschaft und Akribie einer wissenschaftlichen Initialzündung. Und es bedurfte der richtigen Rahmenbedingungen.

Diesen Rahmen hat Ihr Haus gesetzt, lieber Herr Rachel. Das Bundesforschungsministerium hat früh das Potenzial erkannt, das in der stofflichen Nutzung von Kohlendioxid in der Chemie- und Kunststoffindustrie steckt. Sie haben dazu ein umfangreiches Förderprogramm aufgelegt und unser Projekt in der Forschungsphase großzügig unterstützt.

Dazu an dieser Stelle noch einmal meinen ganz herzlichen Dank! Und ich freue mich sehr, dass das Thema CO2-Nutzung auch in Zukunft für die Weiterentwicklung des Hightech-Standortes Deutschland eine Rolle spielen soll. Wir sind gespannt darauf, gleich mehr aus Ihrem Munde zu hören.

Lieber Professor Schmachtenberg, Ihnen gebührt Dank für die fruchtbare Zusammenarbeit auf wissenschaftlicher Ebene. Die RWTH und Covestro betreiben in Aachen gemeinsam das CAT Catalytic Center, eine Forschungseinrichtung, die Wissenschaftler aus aller Welt anzieht. Den Experten dort und unseren eigenen Forschern ist der wissenschaftliche Durchbruch gelungen, der eine effiziente Nutzung von CO2 in der Kunststoffproduktion erst möglich macht.

Verehrte Zuhörer, lassen Sie mich kurz die Herausforderung beschreiben. Kohlendioxid ist bekanntlich das Endprodukt der Verbrennung. Das heißt, es trägt nur noch wenig Energie in sich. Und reagiert daher auch nur schwer mit anderen Substanzen. Man muss ihm quasi erst einen Stups geben.

Für diesen Anstoß, der die chemische Reaktion in Gang bringt, braucht man einen Katalysator. Allerdings nicht irgendeinen. Sondern einen ganz speziellen, maßgeschneidert für genau diese Funktion. Nach diesem Katalysator haben Generationen von Forschern weltweit gesucht.

Auch unsere Experten hatten sich mit den Kollegen vom CAT Catalytic Center in Aachen auf die Suche begeben. Und die war nun endlich von Erfolg gekrönt: Es ist uns gelungen, den richtigen Katalysator zu finden. Das Ergebnis nennt der Chemiker eine „dream reaction“ – eine seltene, traumhafte Reaktion. Daher auch der Name für unser Projekt: Dream Production.

Was machen wir mit dem Katalysator genau? Wir nutzen ihn, um ein Polyol in neuartiger Form herzustellen. Polyole sind jene Vorprodukte, von denen ich zu Anfang gesprochen habe. Das CO2 wird dabei aufgespalten und chemisch fest eingebunden.

Man braucht Polyole, um Polyurethan-Schaumstoff herzustellen – ein vielseitiges Material, das uns an vielen Stellen im täglichen Leben begegnet. Als Dämmstoff in Häusern und Kühlgeräten zum Beispiel oder in Autositzen. Und eben in Matratzen und Polstermöbeln, wofür die speziellen CO2-basierten Polyole konzipiert sind. Rund 20 Prozent Kohlendioxid – so viel ist in diesem Fall sinnvoll – sind darin enthalten, und in dieser Größenordnung können wir Erdöl einsparen.

Bis zu 5000 Tonnen von dem neuen Material wollen wir in der neuen Anlage hier in Dormagen herstellen. Rund 15 Millionen Euro haben wir dafür investiert. Und soviel kann ich verraten: Das Interesse an diesem innovativen Produkt ist groß.

Meine Damen und Herren, dass wir heute soweit sind, ist aber nicht nur der bahnbrechenden Grundlagenforschung und der Flankierung durch das Bundesforschungsministerium zu verdanken. Beigetragen haben auch Industriepartner wie der Energiekonzern RWE. Er hat uns in der Forschungs- und Entwicklungsphase mit CO2 aus einem Kohlekraftwerk in der Nähe versorgt.

Ich möchte aber auch die Leistung von Covestro nicht verschweigen. Kohlendioxid als neuer Rohstoff – das ist auch der Erfolg eines großen Teams aus vielen verschiedenen Disziplinen.

Unter Leitung von Dr. Karsten Malsch haben Ingenieure, Anwendungsentwickler, Marketingexperten und viele andere Hand in Hand gewirkt. Ich freue mich sehr, heute viele von Ihnen begrüßen zu können. Eine tolle Leistung und ein ganz herzliches Dankeschön!

Verehrte Zuhörer, es sind Innovationen wie diese, die Covestro ausmachen. Formal ist unser Unternehmen zwar noch jung – wie Sie wissen, sind wir seit vorigem Herbst eigenständig und an der Börse. Aber im Grunde existiert die Firma schon Jahrzehnte und hat immer wieder Erfindungen hervorgebracht.

Neben neuen Herstellungsprozessen wie unserem CO2-Verfahren sind dies neue Produkte. Ein extrem wirksamer und superleichter Dämmstoff aus Polyurethan zum Beispiel. Er kommt auch in dem Flugzeug Solar Impulse zum Einsatz, das ja derzeit ganz ohne Treibstoff die Erde umrundet. Ohne diesen Dämmstoff könnte der Pilot in dem kleinen Cockpit nicht überleben.

Wie bei Solar Impulse, so gehen auch bei Covestro Innovation und Nachhaltigkeit miteinander einher. Und eben darauf gründet unser Daseinszweck: To make the world a brighter place – die Welt lebenswerter machen.

Meine Damen und Herren, Innovation und Nachhaltigkeit – dieses „dream team“ hat auch den Erfolg in der CO2-Nutzung bewirkt und die neue Technologie hervorgebracht, die wir künftig unter den Namen „cardyon“ vermarkten.

Das Verfahren ist nicht nur umweltverträglicher als die konventionelle Produktionsweise. Vor allem – und das möchte ich noch einmal betonen – sparen wir die knappe Ressource Erdöl ein und verbreitern unsere Rohstoffbasis.

Verbreitern wollen wir auch unsere Produktpalette. Unsere Forscher arbeiten daran, neben Weichschaum noch andere Kunststoffe mit CO2 von herzustellen. Und sie tüfteln an weiteren Verfahren, um den Anteil an Kohlendioxid noch zu erhöhen.

Sie sehen, meine Damen und Herren: Die Dream Production wird Wirklichkeit. Aber der schöne CO2-Traum ist noch lange nicht ausgeträumt.

Und damit übergebe ich das Wort an Herrn Staatssekretär Rachel, den ich nun auf die Bühne bitte.
Covestro beim Bundespräsidenten
Anschriften aus dem Artikel: Albert-Einstein-Str 58, Alte Landstr 129

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