In den letzten Wochen ist er so richtig angekommen bei Bayer 04 und in der Bundesliga. Simon Rolfes gehörte zu den auffälligen Leverkusenern in den vergangenen Partien. Und das nicht nur, weil dem 23-Jährigen sowohl gegen Köln als auch in Bremen Tore gelungen sind.
Simon, ein Tor gegen Bremen, ein Tor gegen Köln - und das als klassische Nummer 6. Seit wann sind defensive Mittelfeldspieler so torgefährlich?
ROLFES: Na ja, das kommt schon mal vor, dass auch defensive Spieler ab und zu richtig stehen. Ich war auch früher immer schon torgefährlich. Das ist zwar zum Ende meiner Zeit in Bremen und dann in Aachen etwas verloren gegangen. Aber ich hoffe, dass das jetzt bei mir wieder zum Tragen kommt. Ich komme mit unserem System sehr gut klar. Da kann ich immer wieder mal in die Spitze vorstoßen.
Und dann solche technisch perfekten Treffer wie gegen Köln erzielen...
ROLFES: Das habe ich instinktiv so gemacht und es war natürlich toll, dass es so perfekt geklappt hat. Ich hatte morgens noch die Szene vom Duisburg-Spiel gesehen, als ich in einer ähnlichen Situation war, mir den Ball aber auf den rechten Fuß gelegt hatte und die Chance nicht nutzen konnte. Also sagte ich mir, wenn du noch mal die Möglichkeit hast, drehst du dich so, dass du mit links abschließen kannst. Super, dass das abends gleich gegen Köln geklappt hat.
In Bremen hat es trotz Deines Tores zum zwischenzeitlichen Ausgleich nicht mehr gereicht. Wie verbuchst Du diese knappe Niederlage bei Werder, Deinem Ex-Verein, für Dich?
ROLFES: Es war schon ein tolles Gefühl, bei meinem ehemaligen Arbeitgeber ein Tor zu erzielen. In diesem Stadion habe ich ja sogar zwei Jahre gewohnt, damals im Werder-Internat. Aber das ist nicht mit einem Gefühl der Genugtuung verbunden. Ich finde, wir können sehr viel Positives aus diesem Spiel mitnehmen. Klar ist das bitter, wenn du hinterher noch verlierst. Zumal, wenn du in der Defensive eigentlich besser standest, als in den Spielen zuvor gegen Köln und Duisburg. Man darf ja nicht vergessen, was Bremen für eine Offensivabteilung hat. Werder ist ein Meisterschaftsanwärter. Von daher können wir gestärkt aus diesem Spiel gehen. Es war ein weiterer Schritt in die richtige Richtung. Schade nur, dass es nicht zu einem Punkt gereicht hat.
Du sagst, Du hast zwei Jahre im Stadion gewohnt...
ROLFES: Ja, die Bremer haben dort in der Ostkurve eine Art Internat eingerichtet. Ich habe Stunden damit verbracht, von da oben auf den Rasen zu schauen und natürlich auch davon geträumt, da unten mal ein Bundesliga-Tor zu schießen. Mit Werder ist mir das ja leider verwehrt geblieben. Nun hat's mit Bayer 04 sofort im ersten Anlauf geklappt.
Und vor dem Spiel gab's ein großes Hallo?
ROLFES: Na klar, ich kenne ja noch alle da. Manager Klaus Allofs kam vor dem Spiel noch zu mir und meinte: Du willst doch wohl heute kein Tor machen, oder? Dann trat er noch spaßeshalber auf meinen rechten Fuß. War aber der falsche, das Tor habe ich dann mit links gemacht.
Die Zeit in Bremen scheint Dich stark geprägt zu haben?
ROLFES: Ich war fünf Jahre dort, da bleibt natürlich vieles hängen. Ich habe ein Jahr A-Jugend gespielt, bin dann im zweiten Jahr zu den Amateuren hoch gekommen und unterschrieb schließlich einen Profivertrag. Da blieb ich dann drei Jahre, wurde zwischenzeitlich nur mal für ein halbes Jahr an Reutlingen ausgeliehen. Als jüngerer Spieler lebte ich wie gesagt in dem Werder-Internat, was mehr so eine Art Wohngemeinschaft war. Der eine machte nebenbei eine Ausbildung, andere wie ich gingen halt zur Schule. Ich habe dann Abitur gemacht.
Mit welchen Leitungskursen?
ROLFES: Mathematik und Physik. Ich bin eher ein Naturwissenschaftler. Mit Sprachen hatte ich es früher nicht so.
Hättest Du Dir auch eine akademische Ausbildung vorstellen können?
ROLFES: Früher, also bevor ich nach Bremen kam, wollte ich Ingenieur werden. Aber in Bremen war dann schnell klar, dass ich auf jeden Fall etwas mit Fußball machen würde. Ich mache momentan noch ein Fernstudium Sportmanagement in Düsseldorf, da fehlen mir noch zwei Abschlussprüfungen. Also ich könnte mir schon vorstellen, später mal im Management oder auch als Trainer zu arbeiten. Fußball ist einfach meine große Leidenschaft, da bin ich schon fast ein bisschen fanatisch.
Du hast in den letzten drei Wochen einen Riesensprung nach vorne gemacht. Worauf führst Du das zurück?
ROLFES: Ich stand gegen Schalke und dann auch gegen Sofia schon in der Anfangsformation, also noch unter Klaus Augenthaler. Mit dem Wechsel zu Rudi Völler ist noch mal ein Ruck durch die Mannschaft gegangen. Er hat ein bisschen mehr Leben reingebracht ins Team. Alles ist etwas lockerer geworden, die Stimmung noch kameradschaftlicher. Die Mannschaft wirkt geschlossener. Vielleicht fing das aber auch schon mit dem Spiel gegen Schalke an. Da hat jeder gesehen, dass man mit Teamgeist eine Menge erreichen kann. Ich denke, ich habe meinen Teil zum Aufwärtstrend beigetragen.
Zu Beginn Deiner Zeit hier in Leverkusen lief es für Dich noch nicht so rund. Hattest Du Dir die Sache mit dem Wechsel einfacher vorgestellt?
ROLFES: Vielleicht. Irgendwie schon. Du kommst zu einem neuen Verein und hoffst natürlich, dass alles gleich super für dich läuft. Aber man muss sich schon selbst eine Eingewöhnungszeit einräumen. Das habe ich dann nach einer gewissen ersten Enttäuschung akzeptiert. Ich sagte mir, okay, gib dir die Zeit, arbeite weiter hart im Training, gib' richtig Gas und dann wird deine Chance schon kommen. Je mehr ich mich mit meinen eigenen Erwartungen zurückgenommen habe, desto schneller ging's bergauf.
Einen Gang zurückschalten, um dann umso schneller wieder nach vorne zu kommen, das scheint irgendwie Dein Motto zu sein. Als Du in Bremen aufhörtest, hast Du Dich für Aachen und damit für den Gang zurück in die zweite Liga entschieden. Warum?
ROLFES: Für mich war klar, als ich in meinem letzten Jahr in Bremen wieder keine Chance bekommen hatte, dass jetzt ein Schnitt kommen musste. Mein Vertrag lief aus. Und obwohl mir Thomas Schaaf immer bestätigte, dass ich knapp an der ersten Elf dran sei, hat es dann doch nicht geklappt. Ich hatte einige Angebote von Zweitligisten und auch ein, zwei Angebote von Erstligisten. Da hätte ich um einen Stammplatz kämpfen müssen und vermutlich gleich gegen den Abstieg gespielt. Ich habe mich dann bewusst für Aachen entschieden. Da wusste ich, die spielen um den Aufstieg mit, die sind sogar im UEFA-Cup dabei und das wichtigste: ich war mir sicher, dort zur Stammelf zu gehören. Das tat mir sehr gut, dieses Vertrauen der Verantwortlichen zu spüren. Ich konnte in der Zweiten Liga konstant spielen, im UEFA-Cup auch meine eigenen Grenzen antesten und mir selber Antwort auf die Frage geben: Wie komme ich da klar.
Du kamst extrem gut klar und hast im UEFA-Cup Deine besten Spiele für Aachen gemacht...
ROLFES: Ja, aber nicht nur deshalb war die Zeit in Aachen einfach sehr wichtig und schön für mich, sondern nicht zuletzt auch, weil ich dort meine Freundin Jenny kennengelernt habe. Aber auch die Menschen in der Stadt waren richtig euphorisch. Die konnten gar nicht fassen, was dort in der jüngeren Vergangenheit passiert ist. Vor drei Jahren standen die Spieler noch mit der Klingelbüchse auf dem Marktplatz und haben für das Überleben des Vereins gekämpft, dem schon die Lizenz entzogen war. Jetzt ist Alemannia eine echte Nummer in Fußball-Deutschland. Die Leute laufen mit Schals, Trainingsanzügen, Regenjacken von Alemannia auf den Straßen. Fast jedes Kind trägt ein Alemannia-Trikot. Da herrscht eine extrem große Liebe zum Verein.
So was gibt's auch in Leverkusen...
ROLFES: Na klar, das weiß ich. Aber hier gibt es natürlich ein ganz anderes Anspruchsdenken. Das ist vom Fußballerischen ja eine ganz andere Welt. In Leverkusen hat man in den letzten Jahren fast immer Champions League gespielt und zählte immer zu den Meisterschaftskandidaten.
Wie hast Du Dich in dem einen Jahr in Aachen sportlich weiterentwickelt?
ROLFES: Was sehr wichtig war: Ich wurde in Aachen sehr schnell ein Führungsspieler. Ich musste mich in der Zweiten Liga, wo es ordentlich zur Sache geht, jede Woche aufs Neue beweisen. Das bringt einen weiter. Die Hinserie lief für mich optimal, die Rückrunde dann nicht mehr so gut. Aber auch das ist ja wichtig: Dass du eben auch dann, wenn's für dich und die Mannschaft nicht so gut läuft, gemeinsam mit dem Team wieder nach oben kämpfst und trotzdem deinen Mann stehst.
In den letzten 14 Tagen standen fünf Spiele auf dem Programm. Spürst Du schon einen Kräfteverschleiß?
ROLFES: Natürlich ist das anstrengend. Aber es geht ja Gegnern wie Bremen auch so. Das hat man ja bei unserem Aufeinandertreffen auch gesehen. Mittelfeldspiel findet dann irgendwann kaum noch statt. Das Geschehen spielt sich im Angriff oder in der Verteidigung ab. Wenn der Gegner auch international vertreten ist, hat er ja mit dem gleichen Problem zu tun. Schwierig wird's erst dann, wenn du auf eine richtig ausgeruhte Mannschaft triffst. Aber damit werden wir schon fertig, da habe ich keine Bedenken.
Nun geht es am Samstag in der BayArena gegen Arminia Bielefeld. Da sind drei Punkte für Euch Pflicht...
ROLFES: Natürlich, das Spiel müssen wir gewinnen. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass wir die drei Punkte auch holen werden.