Mit drei Medaillen hat der TSV Bayer 04 Leverkusen als stärkster Verein bei den Leichtathletik-Europameisterschaften in Barcelona (Spanien) einen entscheidenden Anteil am erfolgreichen Abschneiden des deutschen Teams. Allen voran die neue Speerwurf-Europameisterin Linda Stahl. Im Stabhochsprung ist die Hallen-EM-Zweite auch die Freiluft-Zweite: Silke Spiegelburg holte sich Silber. Für Vizeweltmeisterin Jennifer Oeser gab es mit der bemerkenswerten Bestleistung von 6.683 Punkten die Siebenkampf-Bronzemedaille. Im Medaillenspiegel beendet das Aufgebot des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) die Titelkämpfe mit 16 Medaillen auf Rang Vier.
Im fünften Durchgang platzte der Knoten bei Linda Stahl: Der ständige Wind machte eine Pause und Linda Stahl schoss den Speer in den Nachthimmel von Barcelona. Erst nach 66,81 Metern kam er wieder runter. Persönliche Bestleistung und Gold bei ihren ersten Europameisterschaften. „Ich habe das noch gar nicht realisiert. Das war einfach Wahnsinn heute, ich habe einen getroffen, von dem ich wahrscheinlich noch nicht einmal geträumt habe", sagte die Leverkusenerin freudestrahlend.
Stahl trat mit ihrer überraschenden Goldmedaille die Nachfolge von Steffi Nerius an und bescherte ihrem Trainer Helge Zöllkau damit den zweiten EM-Erfolg in Serie. Die Weltmeisterin von Berlin gewann 2006 in Göteborg (Schweden) den Speerwurf-Titel, beendete aber im vergangenen Jahre ihre Karriere.
Auch die zweite Leverkusener Starterin, Katharina Molitor, kam nach dem Überraschungswurf ihrer Trainingskollegin, noch einmal richtig in Schwung und warf den 600-Gramm-Speer auf 63,81 Meter. Damit fing sie im letzten Moment noch die WM-Dritte Mariya Abakumova (Russland) ab und schob sich auf den vierten Platz vor. „Ich bin absolut zufrieden. Für den dritten Platz hätte ich heute Bestleistung werfen müssen. Ich meine, nichts ist unmöglich, aber das ist schon okay so“, sagte Molitor.
Stabhochspringerin Silke Spiegelburg musste am Ende pokern, um im Kampf um Gold dabei zu bleiben. Bis 4,65 Meter präsentierte sich die WM-Vierte von Beginn an fehlerlos. Bei 4,70 Meter ging es dann um die Medaillen. Feofanova meisterte die Höhe im zweiten Versuch und schob sich an die Spitze des Stabhochspringer-Feldes. Bei Spiegelburg klappte es zweimal nicht, so dass sie sich ihren letzten Versuch aufhob. Weitere fünf Zentimeter höher sprang die Russin Feofanova im ersten Anlauf und Spiegelburg musste nun kontern.
Doch die Überraschung blieb aus. Spiegelburg riss die Latte von den Auflegern und verließ sichtlich enttäuscht die Matte. „Ich bin schon froh, dass ich eine Medaille gewonnen habe, so ist es nicht. Aber es ärger mich ziemlich, dass ich meine Technik heute nicht so abrufen konnte“, sagte die Leverkusenerin.
Zwei Ziele hatte sich Jennifer Oeser für die EM vorgenommen: 6.500 Punkte und eine Medaille sollten es sein. Während die Siebenkämpferin das eine Ziel mit der bronzenen Plakette erfüllte, übertraf sie ihr zweites Vorhaben mit vier Einzelbestleistungen und 6.683 Zählern mehr als deutlich. Das war ein Steigerung ihrer alte Marke um 190 Punkte. „Ich wollte es eigentlich ruhig angehen lassen. Dass dann so etwas dabei herauskommt – Wahnsinn, das hätte ich echt nicht gedacht“, sagte eine jubelnde Oeser. Und das ohne ihr „Schwein vom Rhein“, das sonst bei allen Wettkämpfen mit dabei ist. Denn ihr Glücksbringer musste in Barcelona im Call-Room zurückbleiben.
Direkt der Auftakt über 100 Meter Hürden lief für die 26-Jährige nach Maß. In 13,37 Sekunden verbesserte sie ihren alten Hausrekord um sechs Hundertestelsekunden. Zum Abschluss des ersten Tages steigerte sie sich über 200 Meter von 24,30 Sekunden auf 24,07 Sekunden und setzte die Serie am zweiten Tag gleichermaßen fort. 18 Zentimeter legte sie auf ihre Weitsprung-Bestmarke drauf und wurde mit 6,68 Metern gemessen und auch der Speer flog mit 49,17 Metern so weit wie nie.
Einen rabenschwarzen Tag erlebte dagegen Hammerwerfer Markus Esser. Er schied mit enttäuschenden 71,89 Metern in der Qualifikation aus. 74,26 Meter hätte der Deutsche Meister für das Finale werfen müssen und mit einer Saisonbestleistung von 78,87 Metern schien das eine lösbare Aufgabe. „Das war ein Ding der Unmöglichkeit, mir fehlen einfach die Worte“, sagte ein mit den Tränen kämpfender Esser und fügte hinzu: „Es tut mir Leid für alle, die mir die Daumen gedrückt haben.“ Für den erfahrenen Hammerwerfer war es das erste Vorrundenaus bei einem internationalen Saisonhöhepunkt seit der EM 2002 in München.
Der sechsten Leverkusener Barcelona-Teilnehmerin, Wiebke Ullmann, blieb dagegen von Beginn an die undankbare Zuschauerrolle, denn die Deutsche Hallenmeisterin war über 4x400 Meter als Ersatzläuferin gesetzt. So belegte das Quartett um Fabienne Kohlmann (Karlstadt-Gambach-Lohr), Esther Cremer (Wattenscheid), Janin Lindenberg (Magdeburg) und Claudia Hoffmann (Potsdam) in 3:24,07 Minuten Rang Zwei. Im Vorlauf erhielt die Berlinerin Jill Richards den Vorzug vor der Leverkusenerin, so dass diese im Gegensatz zu Ullmann auch eine Medaille mit nach Hause nehmen darf.
Die kompletten Ergebnislisten gibt es unter www.bcn2010.org.