Leverkusen

Drei Zentren?

Der Abschied von einer liebgewonnen "Theorie" fällt schwer

Mitunter kann es hilfreich sein, über den eigenen Tellerrand hinaus, sprich über die Stadtgrenzen hinweg zu blicken. Nun nicht etwa eben nach Solingen und Remscheid, welche im statistischen Vergleich mit Leverkusen nur allzu gerne herangezogen werden, sondern in diesem Fall einmal nach Wuppertal.
Beide Städte weisen unabhängig voneinander einige Parallelen auf, abgesehen davon, daß in ihrem Stadtgebiet die Wupper fließt und sie in ihren Mauern jeweils Werke der Bayer AG beherbergen.
Bei Leverkusen wie auch Wuppertal handelt es sich um Gebietskörperschaften, die aus verschiedenen, einstmals selbständigen Städten und Ortschaften mit zumeist wenig Zustimmung und Begeisterung der betroffenen Bürgerschaft gebildet wurden. Wobei dies im Fall von Wuppertal gar noch in die preußische Ära zurückreicht, während Leverkusen in seinen heutigen Grenzen dagegen eine noch wesentlich jüngere Stadt ist, deren Zuschnitt unter Einbeziehung der vormaligen Kreisstadt Opladen aus der kommunalen Gebietsreform im Jahre 1975 herrührt.


Schleichender Niedergang

An den Folgen indes tragen beide Städte heute noch. Es wird fein säuberlich je nach Sicht der Dinge unterschieden zwischen Wiesdorf und Opladen hier und zwischen Elberfeld und Barmen dort, daneben gibt es dann noch weitere mehr oder weniger bedeutende Stadtteile wie etwa Schlebusch oder im andren Fall Vohwinkel, die gegebenenfalls noch zusätzlich eifersüchtig auf die Entwicklungen der einzelnen Zentren ihrer Stadt blicken.
Dieses nach den einzelnen Quartieren ausgerichtete Denken ist in Wuppertal noch ebenso gegenwärtig wie in Leverkusen, wenngleich dort der Zusammenschluß unter der eigens geschaffenen Bezeichnung Wuppertal ungleich länger zurückliegt. Dort kommt im Bewußtsein der Bevölkerung noch hinzu, daß genau durch dieses Tal die Grenze zwischen dem Rheinland und Westfalen verläuft.
Wie dem auch sei: In Opladen, einem der vermeintlichen Zentren von Leverkusen, erlebt die dort ansässige Geschäftswelt einen langsamen, schleichenden Niedergang, der unlängst mit der Schließung des alteingesessenen Opladener Kaufhauses, kurz OKA genannt, einen weiteren, traurigen Höhepunkt erlebte. Beim Gang durch die Fußgängerzone, insbesondere der Bahnhofstraße, sind die Leerstände in den Ladenlokalen offensichtlich. Die Neupflasterung der Fußgängerzone sowie die Eröffnung des Parkhauses Kantstraße verfehlten bislang ebenso die erhoffte Wirkung.


Wegfall von Bahn-Arbeitsplätzen

Einher geht mit dieser Entwicklung dann auch noch der Bedeutungsverlust von Opladen als Standort für die heutige Bahn AG. Damit fallen Arbeitsplätze weg. Durch diesen Umstand freigezogene Grundstücksflächen bieten zwar grundsätzlich Entwicklungspotentiale, welche jedoch erst einmal Zeit benötigen.
Die für Leverkusen einstmals entwickelte Drei-Zentren-Theorie, also Wiesdorf, Opladen und Schlebusch, kam im vergangenen Jahr von der Diskussion her erneut heftig zum Tragen, als es um die mögliche Überbauung des Wiesdorfer Busbahnhofes ging.
Derweil ist in Schlebusch eine Entwicklung zu verzeichnen, die dem negativen Beispiel Opladens folgt. Jedoch auch in Wiesdorf liegt im Bereich der unteren Hauptstraße mittlerweile einiges im Argen.
Eine mehr oder weniger hohe Fluktuation im Einzelhandel ist in allen drei der sogenannten Zentren anhand immer wieder leerstehender Ladenlokale auszumachen.
Im Lamentieren gleichwohl tun sich die Opladener unter Führung ihrer Geschäftswelt am lautesten hervor. Dabei weiß man in Opladen vor allen Dingen, was man nicht will.
In einer Welt, deren Entwicklung zunehmend durch eine fortschreitende Globalisierung geprägt wird, ist Kirchturmpolitik und Kirchturmdenken mehr denn je überholt. Im Wettstreit der einzelnen Kommunen muß sich Leverkusen entlang der Rheinschiene selbst behaupten und kann sich eben keine innerörtlichen Scharmützel leisten. Dies gilt um so mehr, als Leverkusen neben Remscheid und Solingen zu den kleinsten unter Nordrhein-Westfalens Großstädten zählt. Dies führte schon einmal zu gewissen Begehrlichkeiten.
Wuppertal zählt rund 370.000 Einwohner und liegt nicht derart exponiert zwischen der Landeshauptstadt und der größten Stadt unseres Bundeslandes beziehungsweise der viertgrößten Metropole im Bundesgebiet, wie dies bei Leverkusen der Fall ist. Zudem verfügt Wuppertal noch über einen gewissen Einzugsbereich aus seinem Umland. Wenn sich nun für Wuppertal mittelfristig eine Zwei-Zentren-Theorie auf Dauer als nicht haltbar erweist, so trifft dies auf Leverkusen mit seinen circa 160.000 Einwohnern und seinen drei Zentren erst recht zu.


Drei Zentren nicht aufrechtzuerhalten

Ein Festhalten an diesen drei Zentren, wo Wiesdorf nur etwas gleicher behandelt wird als Opladen oder Schlebusch, schwächt Leverkusen in seiner Rolle als sich selbstbehauptende Stadt mittel- und langfristig insgesamt.
Diese These ist längst schon Fakt, besagt jedoch nichts über die Wohn- und Lebensqualität und die Urbanität des Teils Opladen einer Stadt namens Leverkusen aus. Als Wohnquartier hat Opladen dem Einkaufs- und Arbeitsstandort Wiesdorf einiges voraus. Gleiches gilt auch für die dortige Gastronomieszene, von der man so in Wiesdorf nicht sprechen kann.
Bei der ganzen Diskussion sollte man auch nicht außer Acht lassen, daß mit dem Begriff Opladen heute nur noch der Kern der vormaligen Kreisstadt entlang der Kölner und Düsseldorfer Straße gemeint ist. Hingegen umfaßte Opladen seinerzeit beispielsweise auch Lützenkirchen und Quettingen. Für diese Stadtteile können diejenigen, die sich heute für Opladen wortstark aufschwingen, wohl kaum noch sprechen. Viele Lützenkirchener orientieren sich bei ihrer Nahversorgung gerne auch in Richtung Schlebusch. Auf der politischen Landkarte gehört Lützenkirchen zusammen mit Schlebusch und Steinbüchel zum Stadtbezirk III, während Opladen als Stadtteil zum Bezirk II zählt.
Anerkennen sollte man weiterhin, daß Opladen zwar nicht mehr über ein eigenes Rathaus verfügt, aber innerhalb Leverkusens weiterhin bedeutender Verwaltungsstandort ist. Der Vorschlag, einen möglichen Rathausneubau in Opladen zu errichten, ist geradezu grotesk und stellt die Diskussion auf den Kopf.
Mit den Möglichkeiten, die Teile des Bahngeländes eröffnen, müßte Opladen seine eigene, freilich nachgeordnete Rolle unter dem Dach des Gebildes Leverkusen finden.