Leserbrief

Zum Artikel "Das Ende der Unschuld" und unserer Satire erreicht uns folgender Beitrag:

Mit Begriffen wie "verbrecherisch" sollte der Referent genau so vorsichtig umgehen wie der echte Historiker und der echte Staatsmann, die Zeitgeist, Umfeld und Beweggründe der Mißliebigen studieren. Jener momentan Mißliebigen, die in ihrem Selbstverständnis nur Positives für ihr (Wähler-)Volk - und ihren Clan - tun und Störfaktoren rigoros ausschalten. Und die in Kürze als Stabilisatoren benötigt und hofiert werden.
(Ein dem jetzigen Politdenken verhafteter Mommsen-Enkel ist kein "Mommsen". Und ein Scharping mit "Hang the Kaiser"-Parolen ist kein Staatsmann.)
Satire darf (fast) alles. Aber nicht anderen - aus Satiriker-Unverständnis - die eigene Halbbildung andichten. Otto Schily hatte in der Quarta weder Masern noch Liebeskummer: so konnte er mit einiger Aufmerksamkeit im Lateinunterricht und mit dem PONS unter der Bank die "Allerwelts-Sünde" mit "peccatum vulgare" übersetzen. Für den "gemeinen Sündenbock" hätte er "caper expistorius (oder emissarius) vulgaris" gefunden wobei ersteres auf Sühnung, Entsündigung und letzteres auf den Rausschmiß in die Wüste (3. Mos. 16) hinweist. Escape! (Was zur Wortbildung "scape-goat" führte.)
Mit Meckern ist es nie getan! Weder mit zickiger Leserschelte noch mit "anschwellendem Bocksgesang".

H. Krüger
Wiesdorfer Platz 10
51373 Leverkusen

 

Der Artikel "How do you do?- Deutscher Jugendwahn in englischen Worten" fand leider auch keine ungeteilte Zustimmung:

Liebe Politeia,

in letzter Zeit war mir langweilig, und dann fielst Du mir in die Hände.
Welch Wonne! Da war doch tatsächlich ein Artikel über den "Deutschen Jungendwahn in englischen Worten". In ihm fiel auch der bedeutungschwangere Satz: "Und die Werbebranche sollte sich mal fragen, ob es sinnvoll ist, ein in Deutschland [...] hergestelltes Produkt, das es auch nur in Deutschland zu kaufen gibt, in englischer Sprache anzupreisen."
Was will uns der Autor damit sagen? - Ich ahne schon. Er will Deutsches Internetbrauchtum in seiner Landessprache beworben wissen. Er will Käsebrötchen statt Cheeseburger. Er will, daß alles verdammt "kühl" abläuft, und daß die Musikrichtung Wave ab jetzt Welle heißt.
Ich verstehe, ich verstehe. Ich werde Dir, liebe Politeia, helfen, Deinen heroischen Plan in die Tat umzusetzen. Als erstes streichen wir Deine Rubriken Know How, Lifestyle und Computer. Statt dessen nennen wir sie nun Gewußt Wie, Lebensart und Rechner. Radio Blackline heißt in Zukunft Hörfunk Schwarzlinie. Natürlich heißt es jetzt auch nicht mehr Internet, sondern (mmmh, wie nennen wir es...) Übernetz.
Ja, ja! So ist das mit den Anglizismen, kaum wettert man über sie, und heult den Lesern die Ohren voll, wie schlimm die Amerikanisierung doch ist, schon ist die eigene "Zeitung" voll damit.
Jedoch werde ich Dich, liebe Politeia, auch weiterhin in Deinem Kampf unterstützen. Deutschland braucht Dich.

 

Anm. der Readaktion: We stand by our stories.