Satire

Das Jubiläum der Luftnummer

Neues aus dem "Waldschlösschen"

Stammtisch in der rheinischen Provinz. Das Frührentnerehepaar Friedhelm und Gisela Müller-Steinfeld, Handwerkermeister Heinrich Stahltal, Informatiker Michael Roosen und der Lehrer Georg Scholz sprechen in ihrer Lieblingskneipe "Waldschlösschen" dem Bier zu.

Roosen (seufzt tief): Welch eine Erquickung nach einer arbeitsreichen Woche! Nicht nur daß wir dauernd Überstunden machen mußten, ich hatte auch noch die undankbare Aufgabe, unseren neuen indischen Softwareguru einzuarbeiten.

Herr Müller-Steinfeld: Bietet die Volkshochschule eigentlich Indischkurse an?

Roosen: Nein, er muß Deutsch lernen. Bisher verständigen wir uns auf Basic: GOTO Cafeteria, INPUT Espresso, RETURN.

Frau Müller-Steinfeld: Der arme Mensch! Wie entsetzlich muß es sein, außerhalb seines Kulturkreises in diesem kalten Land zu leben! Und dann der ewige Regen!

Stahltal: Habe schon immer gesagt, daß man Deutschland überdachen sollte. Gibt viele Arbeitsplätze hier.

Scholz (verärgert): Ich sehe überhaupt nicht ein, warum wir in die Arbeitslosenversicherung gutes Geld einzahlen, wenn wir die deutschen Arbeitslosen nicht ...

Stahltal: Du zahlst als Beamter doch gar nicht ein! Ich hingegen muß für meine drei Gesellen und den Lehrling enorm bluten. Es ist überhaupt ein Skandal, wie die Beamten in diesem Staat ...

Roosen (befürchtet das Umschwenken auf Stahltals Lieblingsthema, unterbricht hastig): Ich habe eigentlich nicht den Eindruck, daß unser neuer indischer Kollege Probleme mit dem deutschen Kulturkreis hat. Zumindest an die Gehälter hat er sich schnell gewöhnt. Er plant sogar schon, seine Familie nachzuholen.

Herr Müller-Steinfeld: Hab ich mir's doch gedacht. Diese Turbanträger nehmen unserer Jugend die Butter vom Brot ...

Scholz: Sachte, Friedhelm. Unsere Jugend interessiert sich weder für Butter noch für Brot. Und wenn ich an die letzte Mathematik-Klausur denke, die ich korrigiert habe, dann werden die Inder in zehn Jahren wahrscheinlich die ganze Welt programmieren. Ver-hee-rend!! (schlägt mit der Faust auf den Tisch)

Roosen: Er hat mir auch Fotos seiner Familie und seines Heimatdorfes gezeigt. Alles sehr hübsch dort. Vielleicht fliege ich auch einmal nach Indien.

Herr Müller-Steinfeld: Ich hoffe, du nimmst nicht die WestLB. Diese Charterflüge sollen ja sehr teuer sein, auch wenn das Begleitpersonal keine Wünsche offenläßt.

Stahltal: Ja, ja, die berühmten Luftnummern ... Noch nie hat ein Zitat von Clement so viel Wahres enthalten. Aber auch sein Vorgänger soll ja schon ...

Die Männer grinsen.

Frau Müller-Steinfeld: Ich verstehe gar nicht, warum ihr immer auf Rau herumhackt. Immerhin hat er mehr Menschen versöhnt, als sich je gestritten haben. Übrigens, wo liegt eigentlich Spiekeroog?

Roosen: Nordseeinsel, regelmäßiger Fährverkehr. Hat aber auch einen Hubschrauberlandeplatz.

Frau Müller-Steinfeld: Wie praktisch.

Stahltal: Das fand Herr Rau auch. Deswegen hat er sich immer mit dem Polizeihubschrauber dorthin verfrachten lassen.

Frau Müller-Steinfeld: Aber ... sind diese Flüge nicht sehr teuer?

Scholz (ironisch): Keineswegs, im Gegenteil. Schließlich kommt der Steuerzahler dafür auf.

Roosen: Dann schon lieber mit der WestLB.

Stahltal: Ich habe gehört, die fliegen nicht nur und betreiben nebenbei Bankgeschäfte, sondern richten auch große Geburtsgsfeiern und Empfänge aus.

Frau Müller-Steinfeld: Ach? Kann man die mieten? Friedhelm wird doch nächstes Jahr 60, und haben uns schon gefragt, wie wir das begehen. Schließlich können wir ja nicht hier im "Waldschlösschen" feiern.

Herr Müller-Steinfeld (vollkommen überrascht und entgeistert): Was hast du vor? Wen willst du denn alles einladen? Ich bin doch nicht der Bundespräsident!

Wirt: Also Sie können auch bei uns feiern. Wir machen Ihnen gerne ein Angebot für unseren Saal und kümmern uns um alles rund ums Essen.

Roosen: Also Friedhelm, immerhin hast du das Bundesverdienstkreuz am Rande und warst immer ehrenamtlich engagiert, ich denke da nur an deine 25 Jahre als Jugendwart der SpVg Vorwärts-Rückwärts Hoppelsdorf. Da kann die WestLB ruhig etwas springen lassen.

Herr Müller-Steinfeld (immmer noch betäubt): Ich hatte eigentlich an einen netten Abend mit meinen Freunden gedacht ...

Stahltal (dröhnend): Bei solchen WestLB-Veranstaltungen ist es üblich, daß das gesamte Düsseldorfer Kabinett anrückt. (besinnt sich) Oh Gott, dann kommt die Höhn ja auch. Und die Brusis. (erbleicht)

Scholz (verschreckt): Und die Behler! Heilige Bildungskatastrophe, dann lieber ein lauschiges kleines Treffen im Hoppelsdorfer Vereinsheim.

Frau Müller-Steinfeld (gerecht empört): Das ist mal wieder typisch. Man braucht mit der SPD ja nicht immer einverstanden zu sein, aber ihr Chauvis macht natürlich nur die Frauen im Kabinett nieder.

Stahltal: Dann nehmen wir eben den Genossen Hombach ...

Roosen: ... Schröders besten Mann ...

Scholz: ... was man daran sehen kann, daß er als einziger Bauherr der Republik sich ent- und nicht verschuldet hat.

Herr Müller-Steinfeld: Aber Hombach ist doch jetzt in Brüssel - als Balkan-Koordinator.

Stahltal: Was koordiniert der eigentlich?

Scholz: Die Abwehr der Attacken auf ihn.

Roosen: Keine Ahnung, aber es ist gut bezahlt. Und sein Büro ist treuer Kunde unserer Firma. Meinetwegen kann er so lange weiterkoordinieren, wie er will.

Frau Müller-Steinfeld: Also wenn ich daran denke, welche Affären es in diesem Staat in letzter Zeit gab, muß ich mich über euch wirklich wundern. Kein Wort über schwarze Kassen, Ehrenworte und Grundgesetzverletzungen.

Scholz: Das war schon in der letzten Satire dran.

Stahltal: Außerdem trägt bei diesen Affären, die du meinst, nicht der Steuerzahler die Kosten. Wir hätten auch über die Reisen des Herrn Glogowski reden können. Aber, Gisela, wir wollten deine Gefühle nicht verletzen.

Alle Männer außer Müller-Steinfeld (der nur vorsichtig grinst) prusten.

Frau Müller-Steinfeld: Wie happig und gefährlich für unsere Demokratie müssen Affären eigentlich sein, damit ihr sie wahrnehmt?

Scholz: Wir nehmen diese Affären doch schon den ganzen Abend wahr.

Stahltal: Also ich finde es schäbig, wie alle auf Kohl herumgehackt sind ...

Frau Müller-Steinfeld: ... also Heinrich, ich bitte dich, das ...

Stahltal: ... und darum habe ich auch 1000 DM auf Kohls Spendenkonto eingezahlt.

Tumultartige Zustände am Stammtisch. Frau Müller-Steinfeld schnappt nach Luft, ihr Mann schlägt auf den Tisch, Roosen faßt sich an den Kopf und Scholz springt auf. Der Wirt eilt erschreckt herbei.

Wirt (Befehlston): Ich dulde keinen Aufruhr in meinem Waldschlösschen! Was haben Sie denn? Sonst geht es bei Ihnen doch immer so angenehm ruhig zu!

Frau Müller-Steinfeld: Heinrich hier hat doch tatsächlich - ich glaube es kaum! - 1000 DM auf Helmut Kohls Spendenkonto eingezahlt. Wo er doch sonst so geizig ist.

Stahltal: Es ist immerhin mein Geld. Und mir geht es ja nicht nur um Herrn Kohl, sondern daß die CDU als Gegengewicht zur Bundesregierung erhalten bleibt und nicht vor dem Konkursrichter landet.

Scholz (setzt sich wieder): Tja, immerhin hat der Laden jetzt eine neue Verkäuferin.

Herr Müller-Steinfeld: Aber die Sonderangebote scheinen ihnen ausgegangen zu sein.

Roosen: Auf alle Fälle hat die Union jetzt auch einen neuen Fraktionschef. Wahrscheinlich der erste, der bei Staus auf der Datenautobahn nicht den Verkehrsfunk anschaltet.

Frau Müller-Steinfeld: Na ja, diese Politiker fliegen ja immer mit dem Hubschrauber, wie ihr ja eben selber erzählt habt. Da braucht man den Verkehrsfunk natürlich nicht zu hören.

Herr Müller-Steinfeld (entsetzt): Gisela!

Stahltal: Wer glaubt, daß Daten auf der Autobahn fahren, der glaubt auch, daß Zitronenfalter Zitronen falten.

Roosen (beschwichtigend): Na ja, es ist eben eine sehr abstrakte, nicht für jeden durchschaubare Materie.

Scholz: Also meine Schüler kommen damit gut klar, besser als ich selbst. Zuletzt haben sie sich Politiker-Homepages angesehen. Ausgerechnet unser Bundespräsident hat außer seiner offiziellen Seite nur Leere anzubieten.

Stahltal: Na ja, das war ja immer sein Regierungsprinzip: Leere, wem Leere gebührt.

Herr Müller-Steinfeld: Wie lange ist er eigentlich schon in der Politik tätig?

Roosen: Tätig? T ä t i g?

Scholz: Bestimmt rüstet sich die WestLB schon für sein 70. Berufspolitikerjubiläum.

G.D. / K.R.