Leverkusen

Eisenach, 21. April 1983:

Der Tag, als Erich kam

Zum ersten Mal kam Erich Honecker. In der Stadt Eisenach warteten an diesem schönen Frühlingstag um die Mittagszeit Zehntausende entlang der "Protokollstrecke". Honeckers Troß sollte über die Oststadt am Bahnhof vorbei hinauf zur Wartburg fahren. Daß die Lehrer und Studenten praktisch geschlossen teilnahmen, war Ehrensache:
"Wir bereiteten uns auf einen würdigen Empfang von Honecker vor. Wir haben alle gehofft, daß wir ihn zu sehen bekommen" - was zumindest bei Honeckers Ankunft nicht klappte, Honecker wurde am Eingang der Stadt begrüßt. Schon Wochen vorher wurden entlang der Protokollstrecke Zäune und eine Bahnunterführung frisch gestrichen, Gehwege repariert, Vorgärten aufgeputzt, Dreckecken geräumt, Fassaden gemalert, repräsentative Gebäude wie die Wandelhalle und das Haus der Thälmannpioniere renoviert. "Plötzlich gab es Gerüste, Farbe und Sand für den Putz".
In der Friedrich-Engels-Straße betrieb man eifrig Fassadenkosmetik und mauerte eine häßliche Baulücke einfach zu. Der Gipfel: Abkommandierte Dekorateure hängten neue Gardinen in abbruchreifen Häusern auf, damit diese bewohnt aussahen. Auch die umfangreichen Sicherheitsmaßnahmen liefen auffällig unauffällig ab: "Plötzlich standen überall Ladas mit Erfurter oder Berliner Kennzeichen herum sicher Stasi".

Leverkusen, 2. Februar 2000:

Der Tag, als Gerhard kam

10 Uhr: Teile des Schulhofs sind mit Flatterband abgesperrt - hier und da Polizisten. Über den Schulhof war früh genug eine Kehrmaschine gerattert, und ein frisch gepinselter gelber Strich zeigte an, wo demnächst die Fahrräder abgestellt werden können - schön ordentlich.
Schnell noch habe man geputzt, gestrichen, den jahrelang fehlenden Basketballkorb aufgehängt, Fenster und Türen in Schuss gebracht. Eigentlich sollte der Kanzler erst um 11 Uhr kommen, aber dann stand er schon um 10.35 Uhr vor der Tür.
Viele versuchten, einen Blick auf den hohen Besuch zu erhaschen, was gar nicht so einfach war, denn der Kanzler bewegte sich nur inmitten eines großen Menschenpulks vorwärts. Einige Schüler waren denn auch sichtlich genervt ob des Andrangs an ihrer Schule.
"Das ist typisch" meinte etwa eine Mittelstufen-Schülerin - "jetzt haben sie extra die Räume neu gestrichen und geputzt wie noch nie".
Plötzlich war Geld da, um die Flure, die er entlang geführt wurde, zu streichen. Die Klassenzimmer, in denen er sich aufhielt, sahen auch einmal frische Farbe und im Eine-Welt-Cafe standen Primeln auf dem Tisch und lagen Deckchen darunter. Für zwei Dritte-Welt-Projekte der Schule spendete Schröder jeweils 10 000 Mark. Clement versprach, das innerhalb von zwei Monaten alle Klassen der Schule mit internetfähigen Computern ausgestattet werden sollten.

Für beide Momentaufnahmen wurde der Text jeweils ausschließlich aus Abschnitten von Artikeln einer Publikation der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) sowie der Rheinischen Post und des Leverkusener Anzeigers beziehungsweise der Kölnischen Rundschau verwendet.
Inwiefern sich Staatsratsvorsitzender Erich Honecker seinerzeit einen realistischen Eindruck über die Stadt Eisenach verschaffen konnte und ob Bundeskanzler Gerhard Schröder bei seinem Besuch des Leverkusener Lise-Meitner-Gymnasiums in Begleitung des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Wolfgang Clement am 2. Februar 2000 die tatsächlichen Zustände an den Schulen ergründen konnte, mag der Leser für sich entscheiden.