Stadtplan Leverkusen


Aus den Ausführungen von Attila Molnar

Festkolloquium: "Fortschritt und Verantwortung - 100 Jahre Umweltschutz bei Bayer"
Mitglied des Vorstands der Bayer AG


100 Jahre Umweltschutz bei Bayer ? das ist einerseits Anlass zu einem Rückblick und auch zu einer Standortbestimmung. Zugegeben: Wir sind stolz auf unsere lange Tradition in diesem Bereich und glücklich über die erreichten Erfolge. Denn schon unsere Gründergenerationen bewiesen Weitblick und damit auch gesellschaftliche Verantwortung ? lange, bevor die Begriffe "Umweltschutz" und "Ökologie" im heutigen Sinne geprägt wurden.

Dennoch betrachten wir diese Zeitspanne als erledigte Vergangenheit ? und wollen unser Augenmerk in Gänze auf die Zukunft konzentrieren, in der die Wertmaßstäbe einem ständigen Wandel unterliegen.

Wenn heutzutage Unternehmen kommentiert werden, spricht man in erster Linie über Wertmanagement und Shareholder Value, Merger und Akquisitionen, steigende Umsätze und Renditen. Das sind Schlagworte, die natürlich auch für Bayer eine große Rolle spielen. Es geht schließlich darum, die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und unseren Unternehmenswert dauerhaft zu steigern und damit auch nachhaltig Beschäftigung zu sichern.

Doch bei all diesen ökonomischen Überlegungen dürfen wir die ökologischen Zielsetzungen keinesfalls vergessen, auch wenn diese in der öffentlichen Diskussion um Unternehmenswerte und Unternehmensentwicklungen derzeit ein wenig in den Hintergrund gerückt zu sein scheinen.

Für uns haben Umwelt- und Gesundheitsschutz sowie Sicherheit nichts von ihrer Bedeutung verloren. Unser Bemühen, immer neue, besonders umweltfreundliche Produkte auf den Markt zu bringen, wird von vielen gewürdigt. Erst vor kurzem hat unsere amerikanische Tochtergesellschaft zum zweiten Mal in Folge den viel begehrten "Presidential Green Challenge Award" erhalten. Unsere Entwicklung von umweltfreundlichen Lacksystemen, die auf Wasser statt auf chemischen Lösungsmitteln basieren, wurde damit besonders gewürdigt. Aber auch in vielen anderen Teilen der Welt hat Bayer Auszeichnungen für Produkte und Verfahren bekommen.

Das sind Anerkennungen für unser Bestreben, umweltverträgliche Produkte anzubieten, sicher zu produzieren und dabei mit den natürlichen Grundlagen der Erde so sparsam und effizient wie möglich umzugehen. Dies sind wir den uns folgenden Generationen schuldig. Nur so können wir ihnen ausreichende Optionen für ihre eigene Lebensgestaltung erhalten.

Diese Einstellung entspricht dem Motto des "Sustainable Development" ? also des nachhaltigen, zukunftsverträglichen Wirtschaftens, so wie es von der internationalen Staatengemeinschaft festgelegt worden ist. Und diesem Credo fühlen wir uns verpflichtet. Denn unsere Gesellschaft erwartet von der chemischen Industrie und damit auch von Bayer, dass wir sicher produzieren, dabei die Umwelt so wenig wie möglich belasten, Produkte herstellen, die ökologisch und toxikologisch einwandfrei sind und sich möglichst problemlos wieder in den ökologischen Kreislauf eingliedern lassen.

Deshalb wollen wir bei Bayer technologisch und wirtschaftlich in unserer Branche eine Spitzenposition einnehmen, aber auch bei Sicherheit und Umweltschutz Maßstäbe setzen. Denn ein wirtschaftlich effektiver und technisch optimaler Umweltschutz im Sinne der Nachhaltigkeit ist für uns integraler Bestandteil unserer Unternehmensphilosophie.

Nachhaltigkeit kann sich dabei aber nicht ausschließlich auf die Ökologie beziehen. Mehr und mehr reift auch in der Finanz- und Wirtschaftswelt die Erkenntnis, dass es einen Zusammenhang zwischen der Ökologie-Strategie und der wirtschaftlichen Leistung gibt. Wir haben das bereits 1986 in unseren Leitlinien, die für alle Mitarbeiter im Konzern weltweit verbindlich sind, festgeschrieben.

Dort steht unter anderem: "Umfassender Umweltschutz, größtmögliche Sicherheit, hohe Qualität der Produkte und optimale Wirtschaftlichkeit sind gleichrangige Erfolgsfaktoren zum Erreichen der Unternehmensziele." An dieser unserer Einstellung hat sich bis jetzt nichts geändert.

Und heute sehen wir die Ergebnisse: Auch am Kapitalmarkt wird das umweltfreundliche und sozial verantwortliche Engagement von Bayer honoriert. So wird die Bayer-Aktie in zwei weltweit führenden ethischen Investment-Fonds gelistet, die Unternehmen in den Bereichen Ökonomie, Ökologie und soziales Engagement bewerten und vergleichen.

Zum einen wurde Bayer im Jahr 2001 zum dritten Mal hintereinander in den Dow Jones Sustainability Index aufgenommen und darüber hinaus auch in den FTSE4 Good Global 100 Index. Damit gehört Bayer in dieser Hinsicht als einziges europäisches Chemieunternehmen zu den 100 besten Firmen der Welt. Außerdem gehören wir dem FTSE4 Good Europe 50 Index an. Zusammen mit sechs weiteren deutschen Unternehmen zählen wir damit im Bereich Corporate Social Responsibility zu den Global Leaders.

Aus dem Pharmabereich gehören abgesehen von Bayer nur britische und amerikanische Unternehmen zum Mitgliederkreis. Zugleich ist Bayer das einzige Chemieunternehmen in ganz Europa, dem es gelungen ist, in allen Fonds dieser Indices aufgenommen zu werden. Es wird unserem Unternehmen Bayer also nicht nur in unserem eigenen Selbstverständnis, sondern auch von außen attestiert, dass wir ein sozial verantwortlich handelndes Unternehmen sind.

Wir werden auch in Zukunft diese Unternehmenspolitik betreiben, in der alle erforderlichen ökologischen, ökonomischen und sozialen Aspekte miteinander verknüpft sind. Dies erfordert innovative Technologien mit optimalem Standard ebenso wie eine klare Ausrichtung auf Shareholder und Stakeholder Value.

Die langlebigen Konzepte ? davon sind wir überzeugt ? werden auf Dauer auch die erfolgreichsten sein. Nachhaltiges Wirtschaften steht also quasi auch als Synonym für nachhaltigen Erfolg. Und eine gute Börsenperformance, so hoffen wir zumindest, wird in Zukunft nicht allein an kurzfristigen Aktionen und Gewinnen gemessen, sondern auch an der weitsichtigen Verankerung ökologischer und sozialer Prinzipien, ohne die langfristig ein gewinnorientiertes Wirtschaften nicht möglich sein wird.

Um sicher zu sein, dass unsere Produkte sowohl den Erwartungen unserer Kunden als auch den Ansprüchen von Gesellschaft und Umwelt genügen, haben wir im Vorjahr ein neues System konzernweit eingeführt, das wir "Product Excellence" nennen und das in seiner Art bisher einmalig sein dürfte. Es ist eine Art Öko-Check, wobei Öko nicht nur für Ökologie, sondern auch für Ökonomie steht.

Wir werden mit Hilfe dieses Systems unsere bisherigen Produkte, aber auch alle zukünftigen Innovationen genau unter die Lupe nehmen. Und das nicht einseitig aus ökologischer oder ökonomischer Sicht, sondern unter zahlreichen Gesichtspunkten und Kriterien: von der Umweltverträglichkeit bis hin zum Nutzen für die Gesellschaft, von der Technologie bis hin zum Shareholder Value. Damit kann dieses Instrument für uns wesentlich zur kontinuierlichen Verbesserung unseres Produktportfolios und damit zur ganzheitlichen Unternehmensleistung beitragen.

In jüngster Zeit sind Stimmen zu hören, die behaupten, die Industrie ? und vor allen Dingen die Chemie ? hätte in ihren Umweltschutz-Aktivitäten nachgelassen. Und zum Beweis wird dann eine Kurve angeführt, die eine deutliche Verminderung der jährlichen Investitionen dokumentiert. Die Kurve ist richtig ? der daraus gezogene Schluss allerdings falsch, zumindest für Bayer.

Wir haben in den vergangenen zehn Jahren für den Bau und Betrieb von Entsorgungsanlagen mehr als 12,5 Milliarden Euro ausgegeben ? wobei die Kosten für die Forschung und Entwicklung von umweltfreundlichen Verfahren noch nicht einmal berücksichtigt sind.

Wenn nunmehr die Investitionskosten zurückgehen, so ist dies keinesfalls ein Ausdruck von nachlassendem Engagement, sondern der Erfolg unserer Bemühungen um den so genannten "Integrierten Umweltschutz". Unsere Wissenschaftler haben Verfahren und Produkte entwickelt, die eine Entsorgung von Abfällen und Reststoffen am Ende der Produktionskette in vielen Bereichen überflüssig machen.

Und wenn keine zusätzlichen Reststoffe anfallen, entfällt auch die Entsorgung ? und damit die Notwendigkeit, immer neue, größere und kostspieligere Entsorgungsanlagen bauen zu müssen. Wir ernten also heute die Früchte einer Saat, für die wir sehr intensiv das Feld vorbereitet haben.

Inzwischen haben wir einen Stand erreicht, den man als Win-Win-Situation für Umwelt und Unternehmen bezeichnen könnte: Trotz fallender Investitionskosten sind auch unsere Emissionswerte erheblich zurückgegangen ? in einigen Bereichen um bis zu 90 Prozent im Vergleich zu 1990. Dies ist umso bemerkenswerter, da im gleichen Zeitraum die Produktionsmengen um mehr als ein Drittel zugenommen haben. Deshalb profitiert von unserem "Integrierten Umweltschutz" nicht nur die Umwelt, sondern wir alle profitieren davon.

In den nächsten fünf Jahren werden wir trotz der veränderten Produktionssysteme weitere sechs Milliarden Euro für den Umweltschutz ausgeben, da wir an vielen Stellen der Welt derzeit neue Standorte aufbauen bzw. planen. Dort muss die Basis-Struktur zunächst geschaffen werden durch den Bau von zentralen Klär- und Verbrennungsanlagen oder entsprechenden technischen Einrichtungen direkt in den Betrieben. Denn in einigen Produktionsbereichen, das muss man ganz klar erkennen, wird es auch zukünftig nicht ohne die klassische Entsorgung gehen.

Das Leitbild unser Unternehmenspolitik ist "Sustainable Development". Doch zur Nachhaltigkeit gehört mehr als nur fortschrittliche Produkte, mehr als die erreichten Fortschritte im Umwelt- und Gesundheitsschutz oder in Fragen der Produktions- und Anlagensicherheit. Dazu gehört auch, welche Verantwortung ein Unternehmen als globaler Bürger und Nachbar übernimmt:

1. Wir nehmen unsere gesellschaftliche Rolle ernst: Wir wollen helfen, die Lebensbedingungen einer wachsenden Weltbevölkerung deutlich zu verbessern. Daher tragen wir mit unseren Produkten zur Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse bei: Ernährung, Bekleidung, Gesundheit, Kommunikation, Mobilität und Umweltschutz.

2. Wir nehmen unsere soziale und ökonomische Verantwortung ernst: Bayer beschäftigt heute weltweit 117.000 Menschen ? in Deutschland und vornehmlich hier in Nordrhein-Westfalen sind es allein rund 41.000. All diese Menschen bauen ihr privates Glück und ihre Zukunft auf den Erfolgen unseres Unternehmens auf. Sie finden eine berufliche Perspektive und anspruchsvolle, fordernde Aufgaben. Dies dient nicht allein unserer Gesellschaft in Deutschland, sondern wir setzen wichtige ökonomische Impulse in vielen Ländern der Erde ? auf dem Wege eines inzwischen globalen supply chain. Das sind ganz wesentliche Beiträge für unsere Gesellschaft.

3. Wir nehmen unsere ökologische Verantwortung ernst: Wirtschaftlichen Erfordernissen zu folgen, ist eine Hauptaufgabe eines jeden Unternehmens. Verantwortungsbewusste Unternehmen aber zeichnen sich darin aus, auch anderen Kriterien Rechnung zu tragen. Unsere Gründerväter haben schon vor einhundert Jahren erkannt, dass die Natur keine unerschöpfliche Ressource ist, die jeden Eingriff verkraftet und auszugleichen versteht. Sie beriefen vor heute 100 Jahren ? am 5. November 1901 ? die "Abwasser-Commission der Farbenfabriken zu Leverkusen". Diese Kommission setzte sich zur Aufgabe, die Wassergüte des Rheins kontinuierlich zu überwachen. Damit waren die Anfänge des operativen Umweltschutzes gelegt.

Ich glaube, ich habe aufzeichnen können, dass wir unsere umfassende Verantwortung als globales Unternehmen ernst nehmen: Globales Handeln, basierend auf einer globalen Unternehmensphilosophie, die getragen ist

- von Respekt den Mitbürgern überall auf der Welt gegenüber,
- von Respekt der Umwelt gegenüber,
- von Offenheit und Ehrlichkeit,
- von Verantwortung den Mitarbeitern, den Kunden, den Lieferanten und Aktionären gegenüber ? dies macht unser Haus aus!

Wir bei Bayer wissen sehr gut, dass wir entscheidend auf die Unterstützung unserer Mitarbeiter angewiesen sind, wenn wir die hohen Standards, die wir für unser Unternehmen aufgestellt haben, dauerhaft erhalten wollen.

Ausbildung, Weiterbildung, Sprachentraining, interkulturelles Training ? das sind Normalitäten, das ist nichts Außergewöhnliches, auch das machen wir seit mehr als 100 Jahren. Für uns hier in Deutschland ist es etwas Selbstverständliches. Nicht jedoch in Teilen der Welt, in denen es keine formellen Ausbildungen gibt. Hier bedarf es erheblicher Anstrengungen für das Training der einzelnen Mitarbeiter.

Dies selbst durchzuführen, die Ausbildungsstandards aller Beschäftigten und damit in Folge auch die Lebensstandards in diesen Regionen zu heben, die "Bayer-Firmenkultur" zu vermitteln und bei allen Mitarbeitern ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu erzeugen ? das ist ein weiterer Schwerpunkt unserer Bemühungen, den ich hier nennen möchte. Kompetitive Entlohnung, das Verbot von Diskriminierung usw. gehören zu den Selbstverständlichkeiten und brauchen gar nicht mehr speziell erwähnt zu werden.

Verbesserungen im Gesundheitsbereich, wo wir insbesondere in Südamerika eine ganze Reihe von Projekten aufgelegt haben ? angefangen von Kantinen für die Familienangehörigen bis zu regelmäßig organisiertem Sporttraining, um die Heranwachsenden von der Straße wegzubekommen ? sind nur einige Beispiele.

Wir sorgen zudem für ärztliche Versorgung und gesundheitliches Wohlergehen. Wir engagieren uns außerdem im Kampf gegen Kinderarbeit, gegen Diskriminierung und natürlich im Bereich der Umwelt. Deshalb ist es auch nicht überraschend, dass Bayer als eines von sieben deutschen und etwa 50 Unternehmen weltweit Gründungsmitglied der Initiative des Global Compact war ? einer Firmenselbstverpflichtung, die von den Vereinten Nationen und ihrem Generalsekretär Kofi Annan ins Leben gerufen wurde, um die sozialen Standards in Entwicklungsländern durch Firmenengagement zu heben. Bayer engagiert sich im Rahmen dieser Selbstverpflichtung mit zahlreichen Projekten in Südamerika und Asien.

Aber Bayer wird seine am Gemeinwohl orientierte Unternehmenspolitik nur dann erfolgreich fortsetzen können, wenn auch im politischen Raum die Randbedingungen stimmen oder geschaffen werden und ein Abbau von Bürokratie und Überregulierungen forciert wird. Wir benötigen heute mehr denn je ein konstruktives Zusammenwirken von Politik, Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft.

Wir benötigen dies in den sich entwickelnden Ländern, aber auch vor unserer eigenen Haustür: Die europäische Chemieindustrie ist eine der wichtigsten Branchen in der EU. In 34.000 Unternehmen sind 1,7 Millionen Menschen beschäftigt. Allein in Deutschland arbeiten 467.000 Menschen in der Chemie. Diese Arbeitsplätze wollen und müssen wir langfristig sichern!

In den nächsten Monaten werden in der Europäischen Union weit reichende und folgenschwere Entscheidungen zur Neuausrichtung der europäischen Chemikalienpolitik getroffen werden. Schon heute ist eine hohe Regulierungsdichte für alle drei großen Wirtschaftsräume charakteristisch. Aber das Ausmaß, in dem die Handlungsspielräume von Unternehmen in Japan, den USA und Europa unterschiedlich eingeschränkt werden, ist gravierend und wirkt für europäische Unternehmen als Innovationshemmnis!

Dies zeigt die Anzahl der neu angemeldeten Chemikalien ganz deutlich, die in den anderen Regionen um bis zum Faktor 10 höher liegen als bei uns. Das japanische und amerikanische System basiert auf risikoorientierten Testsystemen, während das EU-System starr nach vorab festgelegten Testanforderungen verfährt und im Rahmen der Grundprüfung ausschließlich von den Absatzmengen der Neustoffe gesteuert wird.

Wir begrüßen daher im Grundsatz eine Neuordnung der EU-Chemikalienpolitik, schon allein, um bestehende Mängel zu überwinden und eine kohärente und harmonisierte Vorgehensweise zu erreichen.

Leider hat die Europäische Kommission in dem aufgelegten neuen Konzept zur Erfassung, Bewertung und Zulassung von Chemikalien im EU-Wirtschaftsraum diese Grundschwächen nicht beseitigt ? ganz im Gegenteil. Das neue System sieht vor, alle Chemikalien bezüglich der Produktionsmenge, ihrer Eigenschaften und Exposition sowie dem Risiko-Management über die gesamte Wertschöpfungskette nach einem einheitlichen System zu erfassen, zu prüfen und zu regeln.

Das starre neue System tut jedoch so, als wenn die von uns hergestellten Produkte heute nicht auch schon stark reguliert wären und wir im Umgang mit ihnen keinerlei Erfahrung hätten. Zwar halten wir es für wichtig, das Unternehmen in angemessenem und starkem Maße in die Verantwortung für ihre eigenen Stoffe einzubinden. Dieses Ziel lässt sich aber nur mit praktikablen Verfahren erreichen. Der Verantwortung der Unternehmen darf keineswegs ein Mehr an Bürokratie gegenübergestellt werden. Das wäre kontraproduktiv und würde die internationale Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu den USA und Japan weiter verschlechtern.

Unsere Kritik setzt also nicht bei der Frage des "Ob überhaupt", sondern vielmehr bei der Beurteilung des "Wie" bzw. des "Wie viel" an! Dazu vier Überlegungen:

1. Wir halten es im Grundsatz für falsch, Stoffe allein schon deshalb durch andere ersetzen zu wollen, weil sie Eigenschaften haben, die bei unsachgemäßer Anwendung schädlich sein können. Denken Sie an Benzin ? niemand käme auf die Idee, Benzin als Treibstoff zu verbieten, nur weil man es auch dazu benutzen kann, Brandsätze herzustellen.

Oft sind es gerade die einem Produkt innewohnenden Eigenschaften, die ihn bei richtiger Anwendung zu einem sehr nützlichen Stoff machen.

In diesem Sinne die gesellschaftliche Risikoperspektive zu schärfen ist uns ein wichtiges Anliegen. Andernfalls wird das Prinzip der Nachhaltigkeit sträflich vernachlässigt, wenn statt der sicheren Anwendung von Stoffen nur ihr Eigenschaftsprofil im Vordergrund steht.

2. Unsere Industrie ist hoch kapitalintensiv. Sie braucht Planungssicherheit. Bekommt sie diese nicht, weil sie nicht weiß, ob die Restlebensdauer des Produktes in Europa gehalten werden kann, wird sie in Europa nicht investieren. Das, was wir brauchen, sind verlässliche Randbedingungen und Laufzeiten auch in der Produktzulassung.

3. Wir brauchen dringend die vom deutschen Bundesrat geforderte und von der EU-Kommission in Auftrag gegebene Analyse, welche Auswirkungen die Einführung des Weißbuches auf die Konkurrenzfähigkeit und die Arbeitsplätze in unserem Land hat.

Es ist heute noch nicht klar, wie Produkte behandelt werden, deren Basis chemische Rohstoffe sind, und die z.B. in Automobilen, Textilien, Computern oder anderen elektronischen Geräten aus anderen Ländern nach Europa importiert werden und die den komplizierten, bürokratischen und damit teuren neuen europäischen Regulierungen nicht unterworfen sind.

Es ist vor allem nicht klar, welche Auswirkungen das auf die Konkurrenzfähigkeit der europäischen weiterverarbeitenden Industrie und damit auf die Arbeitsplätze hat. Richten wir hier blind Schaden an, der kaum mehr reparabel ist? Es ist meiner Ansicht nach bedenklich, Pflöcke einzuschlagen, ohne dass man weiß, was man damit potenziell verursacht.

4. Wir halten die vorgesehenen Fristen für die Prüfung und Registrierung der Chemikalien für praxisfern und unrealistisch ? sowohl für die Unternehmen wie auch für die Behörden. Dies hat auch das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin BGVV, das in Deutschland für die Risikoeinschätzung von Chemikalien zuständig ist, so angemerkt.

Bayer hat die begründeten Sorgen unseres Unternehmens und der gesamten Branche immer wieder vorgetragen. Wir konnten jedoch bisher nur ein sehr begrenztes Verständnis für diese Anliegen feststellen. Daher hier nochmals unsere Bitte an viele unter Ihnen, die Einfluss auf diese Prozesse haben:

- Helfen Sie bitte mit, eine Schlüsselindustrie in Deutschland und Europa langfristig zu sichern und Arbeitsplätze nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen.
- Nutzen Sie Ihre Kontakte und suchen Sie das Gespräch mit möglichen Entscheidungsträgern in der EU, um die Ziele einer für alle Beteiligten ausgewogenen und praxisorientierten EU-Chemikalienpolitik nicht zu gefährden!

Im Interesse der Unternehmen, im Interesse der gesamten deutschen Wirtschaft und damit im Interesse aller Menschen in diesem Land.

Quelle: Pressemitteilung der Bayer AG vom 28.11.2001
"Fortschritt und Verantwortung - 100 Jahre Umweltschutz bei Bayer"
Hauptseite     Nachrichten     Anmerkungen

Letzte Änderungen: 05.12.2001