Stadtplan Leverkusen


"Der Geschäftsbereich Kautschuk: Die Zukunft aus der Sicht des Marktführers"

Aus den Ausführungen von Dr. Jürgen Ick, Leiter des Geschäftsbereichs Kautschuk der Bayer AG


Die Rolle, die Kautschuk in unserem alltäglichen Leben spielt, jenseits der Formel I-Reifen, kann kaum überschätzt werden. Das gilt auch und gerade, weil Gummiteile oft klein und unscheinbar sind.

Kautschuk ist ein äußerst vielseitiges Material, nicht zuletzt, weil Kautschuk für sich bereits ein Sammelbegriff für eine Vielzahl von Polymeren ist, die sich in Chemie und Eigenschaften wesentlich voneinander unterscheiden.
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Etwas mehr als 40 Prozent des gesamten Festkautschuk Weltbedarfs wird auch heute noch durch Naturkautschuk gedeckt. Der überwiegende Teil der insgesamt rund 15 Millionen Tonnen, die im Jahre 2000 verbraucht wurden, ist jedoch Synthesekautschuk. Nach den jüngsten Schätzungen des International Institute of Synthetic Rubber Producers (IISRP) wird sich der Synthesekautschukverbrauch jährlich um rund 2,5 Prozent weiter erhöhen. Dies entspricht etwa dem weltweiten Wirtschaftswachstum.

Regional gesehen, wird die Wachstumsspanne in etwa zwischen 1,9 Prozent für Europa und mehr als 8 Prozent für Asien oder Greater China liegen.

Die jüngst sichtbar gewordene Konjunkturdelle in der Automobilindustrie ? speziell in Nordamerika ? beeinträchtigt überwiegend die Zulieferer für die Automobil-Erstausrüster. Für unsere Partner in der Reifenindustrie ist das bedeutendere Geschäft das der Ersatzreifen, wo der Rückgang weniger stark ausgeprägt ist.
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Dieser Bedarfsrückgang sowie der weltweite Abbau von Lagerbeständen wird ? unserer Überzeugung nach ? nur von kurzer Dauer sein. Reifen sind mit weitem Abstand die mengenmäßig bedeutendste Anwendung für synthetischen Festkautschuk überhaupt. Rund 7,2 Millionen Tonnen Festkautschuk wurden im Jahr 2000 in der Triade verbraucht, davon 67 % im Fahrzeugsektor, davon wiederum mehr als vier Fünftel in der Reifenindustrie. Ersatzreifen machten hier rund zwei Drittel der gesamten Produktion aus.
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Mit Festkautschuk und Kautschukchemikalien, mit den Latices unseres Joint Ventures PolymerLatex und den Chemikalien und Spezialitäten der Rhein Chemie ist Bayer unbestritten ein Global Player im Kautschukmarkt mit einem breiten, abgerundeten Produktportfolio.

Fast 80 Prozent unseres Gesamtumsatzes im Jahr 2000 von nahezu 2,3 Milliarden Euro, das waren fast 24 Prozent mehr als im Vorjahr, erzielten wir in Europa und Nordamerika. Annähernd zwei Drittel davon entfielen auf Festkautschuk, wo unser Anteil am Weltverbrauch bei 11 Prozent lag. Das sichert uns mit deutlichem Abstand die Führungsrolle auf dem Weltmarkt. Die mengenmäßig bedeutendsten Säulen unseres Geschäfts sind Butadienkautschuk und Butylkautschuk. Im Bereich der Reifenkautschuke erreichten wir ein Wachstum oberhalb des Marktwachstums. Dennoch: Die dramatische Erhöhung der Rohstoff- und Energiepreise belasten unser Geschäft.

Nach den jüngsten, erheblichen Kapazitätserweiterungen sind wir auch bei BR eindeutiger Weltmarktführer ? mit einer Jahreskapazität von 550 kt. Die großen Tonnagen an BR und SBR stehen vor allem für Allzweckkautschuke. Doch gerade beim nach dem umweltfreundlichen Lösungsverfahren hergestellten S-SBR beobachten wir derzeit einen Trend hin zu maßgeschneiderten Spezialitäten.

Überdurchschnittliche Wachstumschancen räumen wir derzeit auch unseren EPDM-Typen (Ethylen-Propylen-Dienkautschuk), sowie der HNBR-Spezialität Therban® (hydrierter Nitrilkautschuk) ein. Dies kommt in beiden Fällen auch in unseren aktuellen Investitionsprojekten zum Ausdruck.
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Ein zukunftsträchtiges Standbein für den Geschäftsbereich Kautschuk ist unser EPDM-Geschäft. Eine Kapazitätserweiterung unserer Produktionsanlage in Marl von 55 auf 115 kt wird im Jahre 2003 abgeschlossen sein. Gleichzeitig wird die Anlage in Orange, Texas, modernisiert. Danach wird ihre Kapazität bei 70 kt liegen. Das Gesamt-Investitionsvolumen beträgt über 100 Millionen Euro.

Im globalen Vergleich der EPDM-Anbieter liegt Bayer derzeit an dritter Stelle. Wir erwarten, dass unser Buna® EP ein überdurchschnittliches Wachstumspotenzial besitzt, vor allem in der Automobilindustrie sowie infolge der zunehmenden Bedeutung thermoplastischer Elastomere (TPE).
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Auch der HNBR-Markt kann mit eindrucksvollen Steigerungsraten aufwarten, 13-18 Prozent, je nach Region. Dem haben wir durch eine bedeutende Investition Rechnung getragen. In Leverkusen wurde im vergangenen September der neue Therbanbetrieb mit einer Jahreskapazität von bis zu 3.000 t angefahren. Die gesamte Weltkapazität für HNBR hat sich damit auf rund 11,4 kt/Jahr erhöht. Die Produkte unserer ca. 60 Millionen Euro teuren Anlage werden derzeit von allen unseren europäischen Kunden approbiert.

Therban ist längst eine ganze Produktfamilie, die auch auf der K 2001 einen Schwerpunkt bilden wird. Die einzelnen Typen sind jeweils auf bestimmte, teilweise sehr extreme Anforderungen hin optimiert.
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Mit Therban HT ? für High Temperature ? kann die Dauertemperaturbeständigkeit auf bis zu 165 °C erhöht werden. Dies macht Therban zum idealen Werkstoff für langlebige, öl- und chemikalienbeständige Dichtringe und -manschetten, z.B. unter der Motorhaube.

Therban XT ? das X steht für Carbox-ylated ? zeigt selbst bei hohen Temperaturen und verbesserten Hafteigenschaften nur geringen Abrieb. Damit ist es ? auch als Mischungskomponente ? das Material der Wahl für Zahnriemen oder hitze- und abriebfeste Rollen.

Ein letztes Beispiel in dieser Präsentation: Therban LT ? die Low Temperature-Variante ? zeichnet sich durch eine erheblich gesteigerte Tieftemperaturflexibilität bis ?35 °C aus. Es erweitert damit das Anwendungsspektrum von Therban zum Beispiel auf Kühlmittelschläuche und Dichtungen, die extremen Umgebungstemperaturen ausgesetzt sind.

Von den Spezialitäten noch einmal zurück zu den Mehrzweckkautschuken: Auch hier gibt es noch reichlich Raum für Forschung, für Neu- und Weiterentwicklungen. Zwei Beispiele für durch polare Seitengruppen modifizierte SBR-Typen sollen dies verdeutlichen. Von beiden Erprobungsprodukten versprechen wir uns in naher Zukunft einige Marktbedeutung.
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Zunächst zur polaren Modifikation von S-SBR, die zu Kautschukpolymeren mit Hydroxylseitenketten führt. Solche HL-Kautschuke ? HL steht für Hochleistung ? zeigen eine verbesserte Wechselwirkung mit den heute verstärkt eingesetzten Kieselsäure-Füllstoffen. Die Folge beim Einsatz in Reifen-Laufflächen: ein weiter verringerter Rollwiderstand bei gleichzeitig verbesserter Nassrutschfestigkeit. Für eine solche parallele Optimierung zweier Parameter im Reifen-Eigenschaftsdreieck ließen sich bislang meist nur Kompromisse finden. Entsprechende Anforderungen an Pkw-Reifen in der Erstausstattung werden heute von den Gesetzgebern zahlreicher Länder gestellt. In unserer Abteilung Prüftechnik haben wir Probekörper aus den neuen Materialien bereits mit den bei uns entwickelten Methoden des "Predictive Testing" untersucht und dabei wertvolle Informationen erhalten, die für das neue Material sprechen. Die Erprobung bei den Kunden läuft derzeit.
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Aber auch auf dem Gebiet der Emulsionspolymerisation haben wir Neuentwicklungen. Zum Beispiel unser NSBR: ein Terpolymer aus Acrylnitril, Styrol und Butadien. Mit diesem Polymer ist es möglich, die Nassrutschfestigkeit bei Reifen oder Schuhsohlen zu erhöhen.

Ein Kautschuk, der sich in den letzten Jahren mit seinen in weiten Grenzen variablen Eigenschaften eine Vielzahl von Spezialmärkten erschlossen hat, ist EVM (Ethylen-Vinylacetatkautschuk), unser Levapren®.
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Jüngste Kinder dieser Entwicklung sind Levapren-Folien, wie sie die Firmen ContiTech und Festo unter dem Namen Vitroflex® produzieren. Ein transluzentes, rund 250 Quadratmeter großes, pneumatisch getragenes Kuppeldach aus Glasfaserverstärktem Levapren schützte im vergangenen Jahr die deutsch-italienische Kunst- und Designausstellung in Bonn. Leicht, wetterunempfindlich, mechanisch hoch beanspruchbar, flammhemmend und transluzent sind solche Gewebe aus verstärkter Levapren-Folie ein ideales Bedachungsmaterial, selbst ohne tragendes Metallgerüst.
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Eine weitere EVM-Anwendung sind zum Beispiel selbsthaftende Abziehfolien (PSA, pressure sensitive adhesive) als Transportschutz für wertvolle, empfindliche Oberflächen wie Lackoberflächen von Neuwagen, Automobilscheiben, Spiegel, LCD-Displays, Fernseh-Bildröhren oder als Sicherheitssiegel. Sie werden unter der Bezeichnung Bodyguard® bzw. Glasguard® von der tesa AG hergestellt und vertrieben. Die Folien verhalten sich gegenüber den Substraten völlig inert und hinterlassen beim Abziehen auch nach längerer Kontaktzeit oder Wärmeeinwirkung keinerlei Rückstände. Für diese Anwendung sind unsere neuen EVA-Typen mit dem Handelsnamen Levamelt® besonders geeignet.
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Schließlich noch ein ganz aktuelles Beispiel aus dem Sektor Kautschukchemikalien. Auch in diesem von bewährten Produkten dominierten Markt gibt es noch Verbesserungspotenzial. Hier werden Neuentwicklungen dann akzeptiert, wenn sie klare, nachvollziehbare Vorteile bringen.
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Unser Vulcuren ist so eine Entwicklung, die gerade im Markt vorgestellt wird: ein Vernetzer, der Brücken bildet, die gegen hohe Temperaturen deutlich widerstandsfähiger sind, und der gleichzeitig der Reversion entgegenwirkt, also dem Verlust der gummielastischen Eigenschaften unter Hitzeeinwirkung.

Deshalb können speziell großvolumige Teile heißer, d.h. schneller und kostengünstiger vulkanisiert werden, ohne dass oberflächennahe Zonen thermisch überlastet werden. Die Produktivität der teuren Pressen z.B. für LKW- oder Massivreifen sowie Transportbänder kann so substanziell gesteigert werden. Dieser Vorteil sichert dem Produkt eine hohe Aufmerksamkeit bei unseren Kunden. Mit Vulcuren ausgerüstete Gummiprodukte weisen außerdem eine erhöhte Ausfallsicherheit unter dynamisch stark belastenden, zermürbenden Bedingungen sowie eine erhöhte Lebensdauer auf.
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Wie funktioniert das? Statt der üblichen, thermolabilen Poly-Schwefel-Ketten mit ca. 4 Schwefelatomen verbindet Vulcuren die Polymerketten durch eine Hybridbrücke. Diese besteht aus kürzeren und damit stabileren Schwefelsequenzen von nur ein oder zwei Schwefelatomen und einer Hexamethyleneinheit. Die Länge der Kette stellt dabei die für gute dynamische Eigenschaften benötigte Flexibilität sicher. Die Einvulkanisation dieser stabilen Brücke geschieht während des normalen Vulkanisationsvorgangs über die Beschleuniger-Endgruppen des Vulcurens im Zusammenspiel mit dem üblichen Vernetzer-System.
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Die Reifenindustrie ist einer unserer bedeutendsten Kunden, ich sagte es bereits. Dennoch, nur ein umfassender Kundenkreis in vielen Branchen und Industrien sichert uns den Markt für unser umfassendes Produktportfolio. Vom engen Kontakt, den wir mit allen unseren Kunden pflegen, zeugt auch in diesem Jahr die nunmehr 7. Rubber Street, die auf der K 2001 erneut direkt neben dem Bayer-Stand verlaufen wird. 18 mittelständische Kautschukverarbeiter werden sich beteiligen, viele davon sind seit Jahrzehnten Bayer-Kunden.

Aber Kundenorientierung ist viel mehr als Kontaktpflege und räumliche Nähe. Mit einer Neuausrichtung unserer Marketingorganisation haben wir jüngst dem Wunsch unserer Kunden nach kompetenter Beratung und schnellen Antwortzeiten erneut Rechnung getragen.
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Mit einem intensivierten Account Management werden wir schneller und flexibler, werden wir unsere Ressourcen noch zielorientierter nutzen können. Integrierte Geschäftsabläufe zu schaffen, bringt unseren Kunden und uns vielfältige Vorteile und erschließt bislang ungenutzte Potenziale. In diesem Zusammenhang setzen wir auf organisatorische und technologische Innovationen, um unsere Kundenbeziehungen fortschrittlich und leistungsfähig zu gestalten. "One face to the customer" ist dafür nur ein Beispiel.

So haben wir unsere westeuropäischen Vertriebsaktivitäten bei der Bayer Industrieprodukte zusammengefasst. Ganz konkret bedeutet das ein produktübergreifend auf den Kunden ausgerichtetes Vorgehen: durch spezifisches Key Account Management, durch das Regional Head Office (RHO) und das Regional Service Center (RSC) Western Europe, die wir zusammen mit der Bayer Industrieprodukte GmbH in Köln derzeit aufbauen.
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Dies geschieht aber auch durch unser integriertes eBusiness-Portal www.BayerRubberOnE.com. Dieses Portal stellt die "Single Point of Entry"-Applikation für unsere eBusiness-Kunden dar. Dort werden Informations-, Transaktions- und Dialogfunktionen gleichermaßen angeboten.

Unsere Beteiligung an dem Internet-Marktplatz ElastomerSolutions dient ebenfalls dem Zweck, Geschäfte schnell und effizient abzuwickeln. Wir sind überzeugt, dass nach der funktionalen Integration mit dem globalen Transaktions-Hub Elemica dies noch effizienter geschehen kann. Collaboration Sites im Rahmen von Extranet-Konzepten für die globalen Großkunden werden folgen. Im Einklang mit der eBusiness-Strategie unseres Konzerns bieten wir allen Kunden alternative und attraktive neue Informations- und Geschäftswege in Form von Portalen und Marktplätzen.

Wenn ein großer Mineralölkonzern mit dem Slogan wirbt: "Wir sorgen für Bewegung", dann kann der Geschäftsbereich Kautschuk ein "Wir sind in Bewegung" dagegensetzen. Nicht nur, weil Reifen auf der Basis unserer Kautschuke weltweit Millionen von Autofahrern die Mobilität sichern, sondern auch, weil wir in einem dynamischen Geschäft durch eigene Dynamik unseren Vorsprung sichern und ausbauen wollen.

Quelle: Pressemitteilung der Bayer AG vom 22.06.2001
Bayer auf der K 2001
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Letzte Änderungen: 03.12.2001