Oeser nach EM-Platz vier: „Euphorie im Stadion hat mich getragen“


Archivmeldung aus dem Jahr 2006
Veröffentlicht: 09.08.2006 // Quelle: TSV Bayer 04

Die ehemalige U23-Siebenkampf-Europameisterin Jennifer Oeser muss sich nach ihrem überraschenden vierten Platz bei den kontinentalen Titelkämpfen im schwedischen Göteborg mit der neuen Bestleistung von 6376 Punkten umorientieren: Sie gehört nun zur erweiterten Weltspitze, hat keine Glücksbonbons mehr und muss sich an einen Trainer ohne Oberlippenbart gewöhnen. Im von der Bayer AG geförderten DLV-Sponsorenclub rasierte sie ihm diesen höchstpersönlich ab. Wie Oeser all die neuen Herausforderungen meistern will, erzählt die 22-Jährige im wenige Stunden nach dem Wettkampf geführten Interview.

Frage: Jenni, herzlichen Glückwunsch zu Platz vier bei der EM. Haben Sie den Erfolg schon realisiert?
Jennifer Oeser: „Nein, überhaupt nicht. Das ging alles so schnell, in meinem Kopf wird es wohl erst klar sein, wenn ich morgen früh aufwache und immer noch EM-Vierte bin.“

Frage: Vier Bestleistungen in sieben Disziplinen und eine Steigerung um 125 Punkte auf jetzt 6376 Punkte, besser geht es kaum.
Jennifer Oeser: „Stimmt. Ich würde jetzt gern ein Rezept dafür geben, damit es andere nachmachen können, aber es gibt keins. Ich habe es genossen, vor 32.000 Menschen im Stadion Sport treiben zu dürfen und mich von deren Euphorie tragen lassen. Das ist ein Grund für den Erfolg.“

Frage: Nun ist es nicht jedermanns Sache, so im Blickpunkt zu stehen. Das erzeugt ja einen enormen Druck.
Jennifer Oeser: „Stimmt. Aber ich finde die Aufmerksamkeit toll, dann denke ich immer jetzt nur nicht blamieren, das beflügelt mich.“

Frage: Wann haben Sie geglaubt, dass es zu einem Platz so weit vorne reichen könnte?“
Jennifer Oeser: „Nach dem Weitsprung mit 6,28 Metern. Das war meine Schlüsseldisziplin. Da wusste ich, ich könnte unter die besten Acht kommen und wenn es super läuft sogar unter die besten Sechs. Als ich dann nach dem Speerwurf plötzlich Zweite hinter Olympiasiegerin Carolina Klüft war, musste ich erst mal lachen. Es war ein komisches Gefühl, meinen Namen so weit vorne auf der Anzeigetafel zu sehen. Ich wusste da aber schon, dass ich dort nicht bleiben würde.“

Frage: Sie wurden im abschließenden 800-Meter-Rennen von der Niederländerin Karin Ruckstuhl und ihrer Paderborner Mannschaftskollegin Lilli Schwarzkopf noch verdrängt. Schade eigentlich, oder?
Jennifer Oeser: „Die haben beide einen super Lauf gemacht und sind besser gewesen. Glückwunsch an sie.“

Frage: Erst seit Januar wohnen Sie auch in Leverkusen, trainieren jetzt bei Karl-Heinz Düe, nachdem Sie vorher regelmäßig aus Brunsbüttel, wo Sie von Peter Gennun betreut wurden, nach Leverkusen gekommen waren. Wie kam es zu der Entscheidung für den Trainer- und dauerhaften Ortswechsel?
Jennifer Oeser: „Ich musste weg von zu Hause, das ständige Training alleine ging nicht mehr. Ich hätte gern bei Peter Gennun weitertrainiert, aber so funktionierte es nicht. In den vergangenen Tagen war er mit hier in Göteborg, was für mich sehr schön war.“

Frage: Wie läuft es bei Ihrer Ausbildung. Sie sind Polizeimeisteranwärterin bei der Bundespolizei, wann steht die Abschlussprüfung an?
Jennifer Oeser: „Im September gehe ich zum letzten Ausbildungsabschnitt noch einmal für ein halbes Jahr nach Cottbus. Im Februar findet dann die Prüfung statt und anschließend suche ich mir eine eigene Wohnung in Leverkusen. Derzeit bin ich noch in einer WG zur Zwischenmiete.“

Frage: Sie haben ein besonders süßes Ritual in der Wettkampfvorbereitung und lutschen vor wichtigen Konkurrenzen sogenannte Hochsprungbonbons. Was steckt hinter dieser Leidenschaft?
Jennifer Oeser: „Das sind einfache Vitamin-Bonbons von der Autobahnraststätte, die ich vor einigen Jahren mal entdeckt habe. Genau vier davon lasse ich am Tag vor wichtigen sportlichen Entscheidungen im Mund zergehen. Gelb, orange, rot und grün müssen sie sein. Leider hat der Hersteller vor zwei Jahren die Farben geändert. Damals bin ich aber noch rechtzeitig losgegangen und habe die Restbestände aufgekauft. Die letzten vier Bonbons daraus habe ich hier in Göteborg gelutscht.“

Frage: Dann ist es jetzt also schon wieder vorbei mit den Erfolgen?
Jennifer Oeser: „Oh nein, ich will mich da oben etablieren, wo ich jetzt bin. Dieser Erfolg wird mir in den Momenten Kraft geben, wenn ich wieder unten bin oder eine Verletzung habe. Die Zeiten kommen sicher auch wieder. Für den Wettkampf lasse ich mir ein neues Ritual einfallen. Das Schwein vom Rhein, ein Geschenk meiner Trainingsgruppe vor der EM, könnte mein neuer Glücksbringer werden. Ich hatte es hier in Göteborg schon immer dabei.“

Frage: Dann gab es ja diese Abmachung mit ihrem Coach Karl-Heinz Düe, die auch schon eingelöst ist. Erstmals seit 1966 steht er nun ohne Bart da. Den musste er lassen, weil Sie unter die besten Acht gekommen sind. Letztlich war es gar Platz vier, da hätte man fast schon über eine Glatze nachdenken können.“
Jennifer Oeser: „Das haben wir in der Trainingsgruppe auch. Aber alle Haare weg – nein, das wollten wir ihm nicht antun.“


Anschriften aus dem Artikel: Albert-Einstein-Str 58, Alte Landstr 129

Kategorie: Sport
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