Satire

Essen mit Bio

Der Kanzler bei "Alfredissimo"

Fernsehstudio des unabhängigen, überparteilichen SPD-Staatssenders in Nordrhein-Westfalen. In einem als Wohnküche hergerichteten Studio bereitet das Produktionsteam um Alfred Biolek die populäre Koch- und Plaudersendung "Alfredissimo" vor.

Alfred Biolek: Meine Damen und Herren, ich darf Sie herzlich zu unserer heutigen Sendung begrüßen. Unser Gast ist ein Mann, der schon durch alle kulinarischen Höhen und Tiefen geirrt ist: Von seiner vorletzten Frau auf vegetarische Kost gesetzt, brach er die Ehe der Fleischesgelüste wegen, da ihm seine Wurst heilig ist. Ich begrüße ganz warmherzig unseren Bundeskanzler, Gerhard Schröder!

Schröder: Hallo Bio! Wie geht?s Dir? Ich freue mich, heute in Deiner Sendung zu sein.

Biolek: Gerhard - ich darf doch Gerhard sagen! -, was hast du uns denn mitgebracht?

Schröder:Hochfett-emulgierte Innereienrolle mit Separatorenfleisch.

Biolek (etwas ungläubig): Ach, du meinst durch Konservierungsstoffe an der Verwesung gehinderte zerteilte Tierleichenteile im eigenen Kotkanal, auch Currywurst genannt?

Schröder: Natürlich mit Pommes und Mayo. Und was kochst du uns Leckeres?

Biolek: Tiermehlklößchen an einer Farce aus Roter Beete, Schwarzwurzeln und Grünkohl. Als Nachtisch schwebt mir eine Donau-Westerwelle vor. Was sollen wir denn während der Zubereitung trinken? Vielleicht ein 98er sizilianisches Merzblut von der Kellerei Corleone? Ein junger, aufstrebender Tropfen, wobei der Rebstock recht häufig zurückgeschnitten werden muß.

Schröder: Du glaubst doch nicht im Ernst, daß ich mir dieses ungenießbare Gesöff antue? Ich ziehe eine 99er Gerstenkaltschale von der kleinen, aber trotzdem zu Recht unbekannten Brauerei Tümpelwasser...

Biolek: Bitte keine Schleichwerbung. Nennen wir es einfach Deichwasser.

Schröder: Für mein Rezept benötige ich fünfunddreißigeinhalb Kilo Rinderschlachtabfälle. Wichtigste Gerätschaft ist eine Bohrmaschine mit einer Flexscheibe, um verborgene Fleischreste auch von kleinen Knochenstücken zu separieren. Der so gewonnene Fleischbrei wird mit restlichen Schlachtabfällen wie Augen, Hirn, Lunge und anderen Innereien durch eine gängige Küchenmühle gejagt. Diese Kanzlerspezialität ist allerdings nichts für zartbesaitete Hausfrauen. (zieht weiße Plastikschürze, weiße Gummistiefel, schwarze Handschuhe und weiße Mütze an, startet die Flexscheibe und macht sich an die Arbeit)

Biolek (bleich, das Würgen unterdrückend): Man ... schäle die Rote ... Beete ... und - (ein Fleischstrahl trifft ihn auf die runde Brille)

Schröder (deklamierend): ... Halswirbel sind besonders schwer herauszufräsen ... Doris kann das sogar ohne Werkzeug ... ich habe ihr zu Weihnachten Edelzahnstocher aus Sandelholz geschenkt ... eine Köstlichkeit, die Ihnen so nur selten vorgesetzt wird ... komisch, daß Hillu immer etwas dagegen hatte ...

Biolek (erscheint wieder auf dem Bildschirm mit einem anderen Hemd, bleichem Gesichtsausdruck, Reste seines Mittagessens am Kinn und dem typisch leutselig-professionellen Gesichtsausdruck, wenn auch sehr gestellt) Danach reinige man die Schwarzwurzeln ... und putze den Grünkohl (das Kreischen der Flexscheibe im Hintergrund wird unerträglich - ein befreiendes "Ja! Schädel geknackt!" ertönt - Biolek wird lauter). MAN BLANCHIERE DEN GRÜNKOHL -

Schröder (fährt mit der Schubkarre mit Separatorenfleischbrei vor): Alfred, wo hast du die Küchenmühle stehen? Und reich mir doch bitte mal die Wanne mit den Augen und den Innereien!

Biolek (durch alle Farben des Gemüses wechselnd, in die Kamera): Sie ... Sie brauchen nicht mitzureih- äh, -schreiben, Sie können die Innereien der Sendung auf Videotexttafel Nummer 555 nachle- (knackende und saugende Geräusche übertönen zeitweilig das Würgen der Produktionsmitarbeiter; Schröder hat die Küchenmühle angeworfen)

Schröder (zwischen gurgelnden Blutgeräuschen): Alfred, faß mal mit an, die Augen flitschen immer raus!

Biolek: Aber gern doch. (Nimmt einen großen Schluck Merzblut aus der Flasche.) Während du beschäftigt warst, habe ich mich mit der Zubereitung der Gemüsefarce beschäftigt.

Schröder: Wie sieht?s denn mit deinen Tiermehlklößchen aus?

Biolek: Bei der Köstlichkeit all deiner Speisen ... wären Tiermehlklößchen zu schwer verdaulich und in der Herstellung zu kompliziert.

Schröder: Wieso? Du jagst einfach nur alle Knochen- und Schlachtabfälle durch einen handelsüblichen Gartenhäcksler ... (Biolek verläßt unter plätschernden Geräuschen das Studio)

Schröder: Aber bevor ich den Enddarm mit dem Separatorenbrät zu füllen beginne, muß die Masse noch entsprechend gewürzt werden. Hierzu benötige ich 1950 Gramm kindergeernteten indischen Premium-Pfeffer aus ökologischem Raubbau ohne ideologische Scheuklappen, dreieinhalb Flaschen Maggi, 2 Eßlöffel Tabasco, fünf Packungen Brühwürfel - vorher auspacken, ha, ha - und zwei Lorbeerblätter. Jetzt das Ganze gut durchrühren, und schon kann mit der Füllung des durchgespülten, gut durchtransportierten EU-Rinderdarms begonnen werden. Das eine Ende natürlich zuknoten, ha, ha.

Biolek (wankt un-, aber nicht mehr vollgebrochen zurück ins Studio): Glücklicherweise haben wir die Donau-Westerwelle schon vorbereitet. Was übrigens willst du zuknoten?

Schröder: Den Kotkanal. - Hey Bio, ins Becken, nicht wieder - ach nee, dein schöner Grünkohl - Wo hast du denn die Pfannen stehen?

Biolek (undeutlich artikulierend): Da hinten im Schrank.

Schröder: Wie hast du diese Donau-Westerwelle hergestellt?

Biolek: Biskuitteig ... Überzug aus Gelatine.

Schröder: Ah! Gelatine: Vorher Knochen zwei Stunden auskochen.

Biolek (entsetzt): Bitte nicht weiter - ich hab keine frische Wäsche mehr ...

Schröder (während die Bratwürste fröhlich vor sich hinbrutzeln) Die Pommes frites nehme ich wie immer aus der Tiefkühltruhe oder kaufe sie bei Funke ein, meiner Lieblingsfrittenbude. Mayo aussem Eimer, und schon ist es fertig.

Biolek: Das sieht - kötzlich aus ...

Schröder: Jetzt noch?n frisches Tümpelwasser, und dann können wir uns deiner Donau-Westerwelle zuwenden. Im Hochofen bei 175 Grad zugestruckt, nehme ich an?

Biolek: Ja.

Schröder: Jetzt laß uns mal gegenseitig unsere Speisen probieren.

Biolek (versucht sich standhaft zu weigern, wird aber durch die Richtlinienkompetenz des Kanzlers und ein steifes "Basta!" zum Kosten gezwungen)

Schröder: Und...?

Anstelle des üblichen "Mmmmmh!" lacht Alfred Biolek hysterisch, rennt unkoordiniert dreimal um den heißen Brei herum und bricht mit einem lauten "Muuuuh!" zusammen.

G.D./M.P./K.R./MiWi