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Lecker!

BSE - und kein Ende in Sicht

Mittlerweile kann man es kaum noch hören. Seit der ersten deutschen BSE-Kuh taucht beinahe wöchentlich ein neuer Fall in irgendeinem deutschen Stall auf. BSE ist (hoffentlich nicht) in aller Munde und hätte es fast zum Unwort des Jahres 2000 gebracht.
Vorbei ist es nun mit der angeblichen BSE-Freiheit deutscher Betriebe. Der Bundeslandwirtschaftsminister und auch der Rest der Bundesregierung, die Länder, die Fleischlobby, McDonald's etc. verfallen in hektischen Aktionismus - so als wäre dieses Problem über Nacht gekommen.

Seltsames Taumeln

Doch dies ist leider nicht so. Vor ungefähr 12 Jahren wunderten sich britische Landwirte über unerklärliche Krankheitsbilder so mancher Schlachtkuh. Das Taumeln erinnerte stark an eine Krankheit, die bislang nur bei Schafen vorgekommen war. Eine Untersuchung der geschlachteten Kadaver ergab, dass diese Schafkrankheit vermutlich vom Schaf "übergesprungen" war -- weil man dem Pflanzenfresser Rind mit Tiermehl gefüttert hatte, um durch dieses preiswerte, tierische Protein den Masterfolg zu beschleunigen.
Britische Wissenschafter spekulierten schon damals auf eine mögliche Übertragung auf den Menschen. Warum sollte BSE nur die Artenbarriere Schaf/Rind überspringen?
Doch da die Agrarlobby auch im Vereinten Königreich einen beachtlichen Einfluss hatte, wurde diese Theorie lange Jahre ins Reich der Märchen verbannt. Skeptiker - insbesondere aus dem Ausland - wurden als Spinner oder Interessenvertreter ausländischer Fleischproduzenten beschimpft.
Doch dann kamen die ersten seltsamen Fälle der Creutzfeld-Jakob-Krankheit. Diese Krankheit ist bereits seit Jahrzehnten bekannt. Die Patienten sterben an einer Zersetzung des Gehirns - ähnlich wie die Schafe und Rinder -, nur dass diese Krankheit bisher nur deutlich ältere Menschen befallen hatte. Doch nun wurden die Patienten immer jünger. Viele EU-Staaten reagierten und verboten die Einfuhr von britischem Rindfleisch, was auf der Insel zu starken Protesten führte. Man witterte eine Verschwörung und den Versuch anderer Staaten, unliebsame Konkurrenz auf diesem Wege auszuschalten.
Wer kann sich nicht an den britischen Landwirtschaftsminister erinnern, der meinte: "British Beaf is safe!", und sich vor laufender Kamera ein T-Bone-Steak in den Rachen schob. Doch nachdem mittlerweile auch Kinder an der neuen Form von Creutzfeld-Jakob in England erkranken, wird ein Zusammenhang mit der Rinderseuche immer wahrscheinlicher. Nun begannen die Briten BSE entschiedener zu bekämpfen, was vor 2 Jahren mit der umstrittenen Aufhebung des Exportverbots belohnt wurde.

Keine Tests - keine BSE-Fälle

Doch schon vorher tauchten auch in anderen europäischen Ländern vereinzelte BSE-Fälle auf. Die Regierungen und die EU reagierten und verhängten ein generelles Verfütterungsverbot von Tiermehl an Wiederkäuer und zahlreiche Maßnahmen zur Früherkennung von BSE.
Außer in Deutschland. Wenn Kohl und Schröder eines gemeinsam haben, dann war es ihre verbraucherfeindliche BSE-Politik auf Druck der Agrarindustrie. Frei nach dem Motto: Wir testen nicht, weil wir kein BSE haben, basta! - wurde BSE in Deutschland schlichtweg ignoriert. Dies wurde durch die EU jahrelang angeprangert, aber die deutsche Fleischlobby wehrte sich erfolgreich: Wo nicht getestet wird, können schließlich auch keine BSE-Fälle auftreten. Solange galt die heimische Rindfleischproduktion als sicher. Dankbare Abnehmer im Ausland waren nach dem Ausfall von England, Frankreich etc. vorhanden.

Die erste deutsche BSE-Kuh machte dem munteren Versteckspiel ein Ende. Kein Mensch weiß zur Stunde, ob und wieviel verseuchtes Fleisch er in den letzten Jahren gegessen hat. Die Folgen sind unbekannt. Das weite Feld der Prionen-Forschung (entartete, defekte Proteine im Gehirn) wurde jahrelang vernachlässigt.

Hektik

Die Länder und der Bund reagierten hektisch. Plötzlich wurde möglich, was jahrelang (aus wirtschaftlichen Gründen) unmöglich war. Die Verfütterung von Tiermehl wurde generell verboten. Da dies für Rinder schon seit Jahren gilt, wie der Herr Bundeslandwirtschaftsminister immer medienwirksam betont, wurde dieses Verbot nun sogar auf seine Einhaltung überprüft (hört, hört).
Das Ergebnis war klar. Das angeblich tiermehlfreie Kraftfutter enthielt tatsächlich in vielen Fällen Tiermehl. Ob da Schlamperei (gleiche Abfüllstation für diverse Futtermittel) oder kriminelles Handeln dahintersteckt, wird noch zu ermitteln sein.
Darüber hinaus wird seit dem 01.01.01 jedes Schlachtrind, welches älter als 30 Monate ist, auf BSE getestet. Dies gilt nicht für jüngere Tiere, die immerhin 70% der Schlachttiere ausmachen. Ob sie verseucht sind weiß niemand. Bessere Tests für jüngere Rinder gibt es angeblich im Moment noch nicht.
Doch die ganzen Maßnahmen gegen BSE und seine noch gar nicht absehbaren Folgen werden das Vertrauen in die Agrarindustrie nicht wiederherstellen. Verbringung von Schlachtvieh ins Ausland, aufgedeckte Verunreinigung von Futtermitteln oder schlichtes Ignorieren der Verbote verunsichern den Verbraucher weiter.

Diese Zustände werden sich erst ändern, wenn der Verbraucher seine schärfste Waffe zum Einsatz bringt: Was nicht gekauft wird, wird so auch nicht mehr hergestellt. Vielleicht findet ja sogar ein Umdenkungsprozess statt. Weg von der Massentierhaltung - hin zum sauberen, aber natürlich auch erheblich teurerem Fleisch. Vielleicht haben dann auch wieder kleinere Betriebe eine Chance, die nicht dem Gebot der Massentierhaltung folgen. Der Verbraucher ist sicherlich bereit, mehr zu bezahlen.

Bis dahin bleibt zu hoffen, dass BSE nur auf Rinder beschränkt bleibt. Mir als Verbraucher hat noch niemand nachvollziehbar erklärt, warum sich Schweine, Hühner etc., die ebenfalls verseuchtes Tiermehl gefressen haben, nicht auch angesteckt haben könnten ... .aber den Skandal werden wir vermutlich auch noch bekommen.

Miwi