Editorial

Sprit nur noch für Reiche?

Der Benzinpreis sorgt europaweit für Ärger

Autobahnblockaden an den deutschen Grenzen, abgeriegelte Raffinerien in Belgien und Frankreich, Bummelzüge verärgerter Landwirte in Deutschland. Der Protest gegen die immens gestiegenen Benzinpreise vereint die europäischen Spediteure, Taxiunternehmen und Landwirte. überall richtete sich der Protest gegen die jeweiligen Regierungen der Nationalstaaten. Man forderte eine Senkung der Benzinpreise.

Viele Gründe

Doch ist dies so einfach? Der aktuelle hohe Preis für Treib- und Brennstoffe aller Art hat mehrere Ursachen. Da ist einmal der gestiegene Bedarf aufgrund des bevorstehenden Winters in den Industriestaaten auf der Nordhalbkugel. Jeder, der eine Ölheizung sein Eigen nennt, fällt nun seine Tanks. Diese gestiegene Nachfrage verursacht natürlich einen höheren Abnahmepreis in den Ölförderstaaten, die ihre Förderkapazitäten nicht einfach beliebig erhöhen können, selbst wenn die OPEC-Mitgliedsstaaten dies wollten. Ein weiteres Ärgernis für die Europäer ist der Euro, der gegenüber dem Dollar immer weiter an Boden verliert. Da auf dem Weltmarkt das Rohöl immer noch in "harten" Dollars bezahlt werden, steigt auch auf diesem Wege der Abnahmepreis an den Tankstellen.
Dritter Hauptgrund für die hohen Preise sind natürlich die direkten und indirekten Steuern auf Treibstoffe. In Deutschland sind dies Mineralöl-, Öko und natürlich die Mehrwertsteuer.
All dies sorgt dafür, dass das Horrorszenario des letzten Bundestagswahlkampfes "5 DM für einen Liter Benzin" irgendwie gar nicht mehr so fern scheint. Neben genervten Autofahrern und Spediteuren warnen Wirtschaftsfachleute bereits vor einem Einknicken des Wirtschaftswachstums in Europa. Doch was ist zu tun?
Die Ölförderstaaten haben jüngst reagiert und die Erhöhung der Fördermengen beschlossen, was den Rohölpreis beeinflusste. Leider machte sich dies an den Tankstellen noch nicht bemerkbar, da dort durch den ruinösen Verdrängungswettbewerb unter den Tankstellenketten, an der Zapfsäule immer noch rote Zahlen geschrieben werden. Die Profite streichen andere ein. Die Pächter, die mitunter nur noch vom Verkauf von Zigaretten und Schokolade überleben, erhöhen sogar noch die Preise, um auch wieder durch Benzinverkauf einen kleinen Gewinn zu machen. So wird sich auf dem Ölsektor nur wenig bewegen.


Schwacher Euro-Raum

Auch dem schwachen Euro kann oder will niemand begegnen. Alle europäischen Regierungen beharren zwar gebetsmühlenartig auf den guten Wirtschaftszahlen europäischer Unternehmen und Volkswirtschaften, doch den internationalen Finanzmärkten scheint dies nicht genug zu sein. Wie auch. Wöchentlich kann man beobachten, dass man zwar einen gemeinsamen Wirtschaftsraum in der EU hat und wünscht, andererseits aber jeder EU-Staat versucht, seine Nachbarn durch Steuertricks, versteckte Beihilfen u.Ä. auszustechen. Von den Ansätzen einer gemeinsamen Regierung ist man noch weit entfernt. Dass eine gemeinsame Währung auch mittelfristig für gemeinsame Finanz-, Wirtschaft- und Regierungspolitik sorgt, wie es Helmut Kohl, ein Ziehvater des Euro hoffte, scheint noch weit entfernt zu sein.
Logischerweise reagiert der sensible, weltweite Finanzmarkt darauf kritisch, zumal Äußerungen des Bundeskanzlers, dass ein schwacher Euro gut für den Export sei, da auch keine Abhilfeabsichten vermuten lassen. Folge: Der Euro geht immer weiter in den Keller. Hier ist also die Politik gefordert.
Es kann nicht sein, dass mit immer mehr Staaten Aufnahmeverhandlungen betrieben werden, während es niemand im Saustall EU für nötig hält, dringend erforderliche Reformen (Stichwort: Mehrheitsentscheidungen) einzuleiten, weil man lieber an der kleingeistigen "nationalen Souveränität" festhält. Sollte dies nicht bald geschehen, steuert die EU in die politische Krise - und mit ihr der Euro. Ob unser konsensbesessener Bundeskanzler hier ein glückliches Händchen hat, ist zumindest zweifelhaft, da hier keine, bei Schröder sonst üblichen, Konsens-Klüngel-Runden (Bündnis für Arbeit, Weizsßcker-Wehrkommission, Süssmuth-Einwanderungskommission, erkaufte Steuerreform durch den Finanzminister usw.) angewandt werden können.
Stillstand bei gemeinsamen europäischen Entscheidungen sorgt wie oben angesprochen auch für unterschiedliche Besteuerung. So haben einige Länder fahrzeuggebundene Steuern und einige Treibstoffsteuern. Deutschland hat beides.
Leider wurde die Mineralölsteuer schon immer dazu benutzt, Finanzlöcher im Bundeshaushalt zu stopfen. Deswegen muss man die Schuld teilweise auch bei der Regierung Kohl suchen, wenn man denn an Schuldzuweisungen interessiert ist. Herr Eichel macht dies auch, nur versteht er es, dies besser zu verkaufen. Während der böse Herr Waigel ja "nur" Haushaltslöcher gestopft hat, verbreitet der jetzige Bundesfinanzminister das Märchen, dass u.a. die Ökosteuer "direkt" zur Senkung von Rentenbeiträgen herangezogen wird, was natürlich völliger Unsinn ist. Alle Steuern landen im Großen Topf und werden anschließend ausgegeben. Es gibt keine Verknüpfung von gewissen Einnahmen und Ausgaben. Herr Eichel sollte endlich die Wahrheit sagen. Natürlich stopft auch er Haushaltslöcher. Mit der Ökosteuer werden ebenso alle Dinge im Haushalt bezahlt, wie mit anderen Steuern auch.
Ärgerlich ist nun aber, dass neben den erhöhten Steuern auf Benzin nun eben auch andere Gründe den Benzinpreis nach oben treiben. Klugerweise schrieb man in die Koalitionsvereinbarung, dass die weitere Erhöhung der Ökosteuer von der Preisentwicklung abhängig gemacht wird. Wenn nicht jetzt, wann denn dann? Richtigerweise fordert die CDU-Opposition nun eine Aussetzung bzw. mindestens keine weitere Erhöhung der Ökosteuer, um wenigstens hier eine minimale Entlastung für den Autofahrer und das Transportgewerbe zu erzielen.


Kein Weg zurück

Doch die Rot/Grüne Koalition kann nicht zurück. "Sparminister" Eichel (Übrigens steigen die Ausgaben im nächsten Haushalt schon wieder - von Sparen kann also keine Rede sein) braucht die Einnahmen, um die sozialen Wohltaten seines Vorgängers und Weltwirtschaftsexperten Lafontaine finanzieren zu können. Die Grünen können aus ideologischen Gründen nicht zurück. Erstens würde ja der bevormundende "Steuerungseffekt" der Ökosteuer verloren gehen. Zweitens könnte man der ohnehin schon enttäuschten grünen Basis nach dem Scheitern des Atomausstieges nicht auch noch ein Einknicken bei der Ökosteuer zumuten.
Lachende Dritte sind die europäischen Konkurrenten, die ihren Regierungen Entlastungen abtrotzten. Eine weitere Hypothek für das schwer unter Druck geratene deutsche Transportgewerbe.

Nun ist Konsenskanzler Schröder gefordert, ein Machtwort zu sprechen - oder der medien- und umfrageverwähnte Kanzler wird einen heißen Winter erleben.

MiWi