Satire

Für eine Handvoll D-Mark

Oder: Mit Zitronen gehandelt

Deutschland ist schön, seine Menschen markant und seine Landschaften weltberühmt. Leider immunisiert sie das nicht gegen Orkane mit Windböen über 280 km/h, was die Bewohner eines kleinen Marktfleckens gerade schmerzlich zu spüren bekommen. Wie es der Teufel will, schlägt der Blitz in den Lindenbaum des Bauern Hinnerk ein, worauf dieser Baum erstens Feuer fängt und zweitens auf das Dach von Hinnerk und Hiltrud kracht. Hierdurch sieht sich Hinnerk genötigt, die üblichen Dinge anzuleiern, die mit Notfällen und Rettungswesen verbunden sind.

Hinnerk (wählt 110 und findet sich in einer Warteschleife der örtlichen Polizeidienststelle wieder, in der geraume Zeit für Abschleppdienste, Bestattungsunternehmen, Alarmanlagen und Versicherungen geworben wird)

Hauptwachtmeister Dirksen: Polizeidienststelle Neustadt, was kann ich für Sie tun?

Hinnerk (aufgebracht): Ihr habt sie ja wohl nicht alle mit eurer Werbung! Bei mir brennt's!

Dirksen (leutselig): Also, über diese Werbung, die nach unseren Erfahrungen besonders zielgruppenkongruent ist und von unseren Partnern in der Industrie gern eingesetzt wird, finanzieren wir einen Teil des Budgets der Kreispolizeibehörde. Oder glauben Sie im Ernst, daß solche exotischen Dinge wie Kellen, Munition, Uniformjacken oder schußsichere Westen aus dem Staatssäckel bezahlt werden? Immerhin frißt die Ökosteuer einen großen Teil unseres Etats für Brennstoff ...

Hinnerk: BEI - MIR - BRENNT'S!!!!!

Dirksen (verärgert): Warum sagen Sie das nicht gleich, anstatt mich in Gespräche über Budgetprobleme zu verwickeln? Ich verbinde Sie zur Feuerwehr.

Hinnerk (fächelt sich den Rauch weg und lauscht mit wachsendem Ärger die Werbung für Feuerlöscher, -versicherung und Feuerzeuge)

Oberbrandmeister Harmsen: Wo brennt's denn?

Hinnerk: Bei mir! Hinnerk Ahlers, An der Linde 1 in Neustadt. Der Straßenname ist mir brennend auf Hiltruds Haus gefallen. Aber in meinem Haus brennt es auch bald, wenn ihr euch nicht beeilt.

Harmsen (läßt den landestypischen Charme spielen): Herr Ahlers. Bevor wir uns in ein ungewisses Abenteuer stürzen, müssen wir, auch für unsere Akten und zu Ihrem eigenen Besten einige kleine Angaben von Ihnen haben. (Schnappt sich Formblatt I/13 der Feuerwehrabgabenordnung) Herr Ahlers. Haben Sie außer der Gebäudehaftpflichtversicherung noch eine private Brandschutzversicherung ... Aha, haben Sie also nicht. Dann muß ich Sie auf folgende Kostensätze aufmerksam machen. Typ A: Komfortlöschzug mit Leiterwagen, Schaumkanone und Fernsehteam. Dieses Angebot ist äußerst attraktiv und unserer aktueller Renner der Saison .... brandheiß sozusagen. .Der Komfortlöschzug besteht aus sieben Fahrzeugen. Das macht mit Ökosteuerzuschlag insgesamt 3766 Mark und 15 Pfennige.

Hinnerk (kann sich kaum noch beherrschen): Sie sollen löschen, einfach nur löschen, verstehen Sie?

Harmsen (seidenweich): Aber das wollen wir ja, Herr Ahlers. Da gibt es natürlich auch noch den Typ B für das kostenbewußte Brandopfer.

Hinnerk: Nehme ich, Hauptsache, Sie kommen bald!

Harmsen: Herr Ahlers. Betreiben Sie Online-Banking?

Hinnerk: Hä?

Harmsen: Also nicht. Wir müssen Sie daher bitten, daß Sie oder Ihre Gemahlin 1460,75 DM als Bar-Abschlagszahlung unserem inkassobevollmächtigten Oberbrandmeister aushändigen.

Hinnerk: Ja, ja, will ich ja alles tun, nur kommt bald!

Harmsen: So, Herr Ahlers, dann hätten wir das wichtigste geklärt, wir sehen uns dann später.

Zwei Stunden später. Der Hof des Hinnerk Ahlers ist zu drei Vierteln ein Raub der Flammen geworden. Vor den rauchenden Trümmern streiten Hinnerk Ahlers und Oberbrandmeister Harmsen, der zur Verstärkung Hauptwachtmeister Dirksen alarmiert hat.

Hinnerk: Jetzt schaut euch das mal an! Vor zwei Stunden noch ein blühendes Gehöft und jetzt - (zeigt auf die Leiche von Hiltrud zu seinen Füßen)

Dirksen: Die Kreispolizeibehörde ist nicht schuld an der Baumaßnahme an der Umgehungsstraße. Daß die Feuerwehr dadurch einen Umweg fahren mußte, liegt nicht in meinem Ermessen.

Hinnerk: Papperlapapp! Wenn Sie mir erzählen wollen, daß die Feuerwehr überhaupt gefahren und nicht geschlichen ist - Wozu hat man denn Blaulicht und Martinshorn? Doch nicht, um mit 30 durch die Landschaft zu gondeln!

Harmsen (jovial): Guter Mann ...

Hinnerk (ausflippend): Ruinierter Mann! Wenn Sie glauben, von mir die Abschlagszahlung kassieren zu können, haben Sie sich geschnitten!

Harmsen: Denken Sie auch mal an unsere Kosten. Haben Sie schon mal drei Feuerwehrfahrzeuge vollgetankt? Die Ökosteuer ruiniert uns noch. Deswegen fahren wir möglichst energiesparend und versuchen, von motorgetriebenen Löschpumpen auf Handpumpen umzustellen. Wenn Sie jetzt nicht zahlen, können wir in Zukunft nur noch Brandbekämpfungstyp C anbieten: Pferdegespann und Eimerketten.

Dirksen (auf sein Dienstfahrrad gelehnt): Herr Ahlers, unter der Steuer leiden wir doch alle. Ich appelliere an Ihr Verantwortungsgefühl.

Hinnerk: Mein Verantwortungsgefühl ist ein Raub der Flammen geworden. Und was mache ich mit Hiltrud? (deutet auf die Leiche) Wir waren lange Jahre zusammen, und jetzt ist alles aus, wegen ein paar lumpiger D-Mark!

Harmsen (begütigend): Woher kannten Sie Hiltrud denn?

Hinnerk: Kennengelernt haben wir uns auf dem Hof von Bauer Schröder. Ich habe mich sofort in sie verliebt. Was hätte noch aus uns werden können! Extra ihretwegen habe ich damals umgebaut! (Einige Tränen rollen langsam sein verhärmtes Gesicht hinunter und bahnen sich ihren Weg durch die Bartstoppeln. Der Orkan verabschiedet sich mit einem Blitzeinschlag und einer fast unmittelbar folgenden Detonation.)

Dirksen: Das wird die Tankstelle gewesen sein. Glück für den Pächter: Seine Existenz ist gesichert!

Harmsen: Tja, wenn das so ist, dann bin ich wohl gezwungen, unseren Tratsch zu beenden. Die Pflicht ruft.

Dirksen: Ich fahre voraus und kümmere mich um die Absperrungen. Herr Ahlers, vergessen Sie nicht, Hiltrud in die Abdeckerei zu bringen!

Hinnerk: O meine arme Zuchtsau, welch ein bitteres, unromantisches Ende! Kein Wurf, kein Fleisch, kein Filet, keine Trüffelsuche, nur Gegrilltes. (Gramgebeugt verläßt Hinnerk den Schauplatz des Infernos.)

***

Vier Wochen später. Auf dem Hof von Hinnerk Ahlers sind Bauarbeiten im Gange. Der frühere Schweinestall wurde zu einer Doppelgarage umgebaut, unter der Hinnerk die geschmuggelten Treibstoffvorräte aufbewahrt. Seitdem die EU ihm für eine außerordentlich reiche Zitronenernte (daß das Klima so etwas nicht zuläßt, wurde in Brüssel wie üblich übersehen) die Beihilfen überwiesen hat, sieht Hinnerk wieder entspannt in die Zukunft.

G.D. / K.R.