Politik

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Die Opposition ist wieder da

Was müssen das doch für schöne Monate für Bundeskanzler Gerhard Schröder gewesen sein. Nach der medienwirksamen Rettung des angeschlagenen Baukonzerns Holzmann versank die aufbegehrende CDU-Opposition im Kohlschen und Kantherschen Bimbes- und Schwarzgeldsumpf.
Plötzlich schien sich niemand mehr für die bis dahin brisante Tagespolitik zu interessieren. Die angeschlagene Regierung entkam aus dem Umfragetief, und auch auf Länderebene bekamen die Sozialdemokraten wieder eine Verschnaufpause, deren erste Nutznießerin Heide Simonis war, die noch im letzten November wie die klare Verliererin ausgesehen hatte.
Sogar diverse Affären, wie die WestLB-Flüge des ehemaligen NRW-Finanzminsters Schleußer und die vermutlich illegale Wahlkampfunterstützung des damaligen sozialdemokratischen Ministerpräsindentschaftskandidaten Stolpe in Brandenburg durch das Land Nordrhein-Westfahlen konnten den rot-grünen Höhenflug nicht nennenswert beeinflussen.


Von der Öffentlichkeit unbemerkt

Und nun? Verdeckt durch Don Kohleone wurschtelte die Bundesregierung, von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, herum und traf in aller Stille diverse bemerkenswerte Entscheidungen.
Von der glorreichen, aber wirtschaftlich fragwürdigen Rettung des Holzmann-Konzerns ist kaum etwas übriggeblieben, nachdem Gewerkschaften und die Konkurrenz ihr Veto eingelegt haben. Der Untergang wurde wahrscheinlich mit Steuermitteln nur weiter hinausgezögert.
Auch das Lieblingskind, dem Bündnis für Arbeit, scheint mehr und mehr eine Totgeburt zu werden. Das ungeschminkte Aufeinanderprallen der Lobbyisten hat rein gar nichts gebracht. Dem volkswirtschaftlichen Amoklauf der IG Metall mit der Forderung der Rente ab 60 folgten auch die anderen Gewerkschaften mit gewagten Lohnforderungen von mindestens 5%. Klar, dass sich die Arbeitgeber auf derartige Spinnereien nicht einließen. Gerhard Schröders schönstes Projekt droht zu scheitern. Vielleicht sollten die Gelder, die in Form von Subventionen milliardenfach in tote Industriezweige (Werften, Bergbau usw.) fließen, lieber in zukunftsträchtige Zweige gepumpt werden. Dann müssten zukünftig auch keine ausländischen Fachleute dem Standort Deutschland auf die Sprünge helfen.


Perverse Umweltpolitik

Auch auf dem Energiesektor gibt die Regierung ein trauriges Bild ab. Die neue sogenannte Ökosteuer rang zwar dem Finanzminister ein Lächeln ab, da die Mehreinnahmen diverse Haushaltslöcher stopfen, aber ansonsten sorgt sie auch bei Umweltgruppen nur für Kopfschütteln. Mit Ökologie hat diese Steuer rein gar nichts zu tun, sonst würden nicht auch umweltfreundliche Verkehrsmittel, wie die Bahn, ebenfalls zur Kasse gebeten, während energieintensive Branchen (wirtschaftlich richtig) von der Steuer befreit sind. Wahrlich ökologisch! Hätte man diese Abgabe als Energiesteuer bezeichnet, wäre dies zumindest ehrlicher gewesen.
Um davon abzulenken, biss sich Bundesumweltminister Trittin lieber an seinem Lieblingsthema, dem sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie, fest. Nach traditionellem grünen Inseldenken glaubt er, dass diese abgeschalteten Kraftwerke durch klimapolitisch problematische Fossilkraftwerke oder erneuerbare Energien ersetzt werden können. Leider machte ihm die Liberalisierung des Strommarktes da einen Strich durch die Rechnung. Als einzige aussichtsreiche Stromquelle ist wahrscheinlich nun auch die Windenergieerzeugung aus dem Rennen, da sie durch die Preisfreigabe keine Chance hat, mit anderen Energieformen mitzuhalten.
Die Abschaltung deutschen Atomstromes würde zur Zeit nur einen Effekt haben: Wir bekämen billigen Atomstrom aus dem Ausland. Fabelhafte Aussichten, Herr Bundesminister. Vielleicht wäre eine Absprache mit den europäischen Partnern sinnvoller gewesen, ehe man hier einen ideologischen Kreuzzug beginnt.
Aber auch der Rest der sogenannten Steuerreform des Oskar Lafontaine, die durch seinen Nachfolger Hans Eichel durchgeführt wurde, sorgt im Lande nicht gerade für Erheiterung. Schön und gut, dass die Lohnnebenkosten durch die erhöhten Steuern gesenkt wurden und damit insbesondere kinderreiche Familien mit einem dreistelligen Betrag im Monat entlastet wurden. Leider haben davon viele Bevölkerungsgruppen wenig: Arbeitslose, Rentner, Sozialhilfeempfänger, Studenten. Sie haben nichts von der Entlastung, müssen aber die erhöhten Steuern mittragen. Ist das die großangekündigte soziale Reform der SPD? Da scheint der Hobbyvolkswirt Lafontaine vor seinem Abgang einiges nicht bedacht zu haben, als er das bereits verabschiedete Reformmodell der alten Kohl-Regierung nach der Wahl zurücknahm.
Wenn es dann innenpolitisch nicht so läuft, dann rettet die Außenpolitik so manches. Das bewies schon Altbundeskanzler Kohl, den die Wiedervereinigung 1989 im Amt rettete.
Doch da wird es seit dem Abgang Kohls doch richtig spannend. So medienwirksam er auch in der Bundesrepublik aufzutreten pflegt, so lässt Bundeskanzler Schröder doch international ungern ein Fettnäpfchen aus. Der vergebliche Kraftakt um den deutschen Staatssekretär Koch-Weser als Chef des internationalen Währungsfonds hat international viel Porzellan zerschlagen.


Internationales zum Nulltarif?

Aber es gibt auch Erfreuliches. So wird die Außenpolitik des ehemaligen Ministers Kinkel durch Joschka Fischer konsequent weitergeführt. Deutsche Soldaten helfen nun weltweit, Frieden zu bewahren. Leider nur ist die Bundeswehr dazu kaum noch in der Lage.
Geschwächt durch den drakonischen Sparkurs des Finanzministers, sieht sich die Bundeswehr in der traurigen Lage, immer mehr Aufträge mit immer weniger Personal und Ausrüstung durchführen zu müssen. Für dringend notwendige Investitionen ist kein Geld vorhanden. Die Moral der Truppe ist am Boden, was zuletzt auch von der scheidenden Wehrbeauftragten festgestellt wurde. Um überhaupt noch an internationalen Einsätzen teilnehmen zu können muss notwendige Schlüsselausrüstung bei den Verbündeten geliehen oder punktuell teuer beschafft werden. Dies kann kein Dauerzustand sein.
Verteidigungsminister Scharping hat den Sprung der Bundeswehr von einer schweren, gepanzerten und stationären Verteidigungstruppe zu einer leichten und mobilen Interventionsarmee noch nicht geschafft. Noch immer ist die Bundeswehr im Kern darauf ausgelegt, sich einem direkten Großangriff aus Osteuropa mit schweren Panzer- und Infanterieverbänden entgegenzustellen. Die Notwendigkeit, große Verbände über weite Strecken zu transportieren oder gar weltweit im Einsatz zu sein, ergab sich einfach nicht. Ohne großzügige Sondermittel des Finanzministers wird sich an diesem Zustand nichts ändern, und die Bundeswehr wird international weiter an Boden verlieren und in die Drittklassigkeit abrutschen.
Dieser kleine Ausschnitt zeigt, dass Opposition im Bundestag durch die CDU dringender denn je ist, damit unserer Bundesregierung wieder stärker auf die Finger geklopft werden kann. Es bleibt zu hoffen, dass bei aller notwendigen Aufklärung innerhalb der Partei auch wieder andere Themen das Tagesgeschäft bestimmen. Dann wird auch schnell wieder klar, dass die guten Umfrageergebnisse der SPD nichts mit der "guten" Regierungsarbeit des Kaschmirkanzlers zu tun haben.

MiWi