Politik

Kinder statt Inder?

Neues aus dem Computer-Entwicklungsland Deutschland

Dass der deutsche Fußball international nicht mehr erstklassig ist, konnte der geneigte Fußballfreund nach den letzten recht dürftigen Vorstellungen der Nationalmannschaft nicht mehr ernsthaft bestreiten. Dank verschiedener Versäumnisse und dem selbstzufriedenen Beharren auf Althergebrachtem hat der DFB den Anschluss an internationale Standards verloren. Aber Sport ist nicht der Nabel der Welt, und damit dürfte dieses Thema zu vernachlässigen sein.

Viel interessanter dagegen ist eine der jüngsten Schreckensmeldungen: Deutschland hat keine Ingenieure und Computerspezialisten mehr. Der Bedarf sei nur durch massive Anwerbung im Ausland zu erreichen. Ähnlich wie in den 60er Jahren sollen ausländische Arbeitnehmer Engpässe in der deutschen Wirtschaft beseitigen helfen.

Schön und gut - zumal die Wirtschaft vollmundig die Verdoppelung von Ausbildungsplätzen für Netzwerkbetreuer, Informatiker und diversen Computerberufen angekündigt hat.
Aber wie konnte es erst so weit kommen? Wieso kann das Hochindustrie- und Computerland Deutschland seinen Bedarf an Fachkräften nicht im eigenen Land befriedigen? Will niemand mehr in einer Zukunftsbranche arbeiten?

Ich meine, die Probleme beginnen früher. Schon in der Schule. Seit langem klagt die deutsche Wirtschaft über das schlechte Niveau deutscher Schulabgänger. Basisfertigkeiten, wie der deutsche Sprachgebrauch, einfachste Grundrechenarten und der Umgang mit neuen Medien sind heutzutage auch bei den Abiturienten keine Selbstverständlichkeiten mehr.

Bedingt durch fehlende oder unterqualifizierte Lehrer und mangelhaftes oder veraltetes Material findet eine vernünftige Vorbereitung, insbesondere im Schulfach Informatik, gar nicht mehr statt. Der Verfasser dieses Artikels erinnert sich noch an seine eigene Schulzeit, wo Informatikkurse aufgelöst werden mussten, weil kein geeignetes Lehrpersonal vorhanden war. Und dies dürfte an vielen Schulen, insbesondere in NRW, der Fall sein.
Die Landesregierung hat dies offenbar erkannt, allerdings blieb es zumeist nur bei Absichtserklärungen, dass man auch die "vermufften" Schulen fit für das 21. Jahrhundert machen wollte. Geändert hat sich wenig.
Besonders Gymnasien und Gesamtschulen bereiten die Schüler nicht optimal für den Beruf oder die Uni vor. Sonst könnte es nicht sein, dass ein Großteil der Oberstufenschüler nicht weiß, was für einen Beruf sie ergreifen wollen. Im Zweifel vergrößert man die unendliche Schwemme der Juristen, die schon jetzt absehbar auf Halde ausgebildet werden.
Im Bestreben, möglichst jeden Schüler zum Abitur zu verhelfen werden an den NRW-Schulen die Standards immer weiter gesenkt. Wenn beispielsweise die Schüler eines Leistungskurses jahrelang 4- statt 6-stündig in diesem Fach unterrichtet werden, muss zwangsläufig der geforderte Leistungsstandard für den betreffenden Kurs gesenkt werden.
Die Folgen sind offenkundig. Das Abitur "light" in NRW hat für überfüllte Oberstufen und überfüllte Unis gesorgt, ohne dass mehr qualifiziertes Personal, insbesondere in den o.a. Zukunftsbranchen die Hochschule verlässt. Aufnahmetests schon bei Beginn des Studiums sind leider inzwischen die Regel, weil an NRWs Oberschulen viel "Schrott" mit Abitur die Schule verlässt. Hochbegabte Schüler, die beispielsweise das Zeug zum Informatiker hätten, werden ungenügend oder gar nicht gefördert.

Es ist also Zeit, dass das ideologisch verknöcherte Schulsystem auch in NRW verändert wird. Schluss mit der Devise "Abitur für alle". Stattdessen sollten auch die anderen Schulformen besser gefördert werden. Die Gesamtschule muss zugunsten der Gymnasien wieder in der Versenkung verschwinden, damit sich die Qualität der Studenten wieder verbessert. Auch Zentralabitur könnte dafür sorgen, dass die Schüler dem Abitur angepasst werden und nicht das Abitur dem Schüler, wie es heute ist.
Eine flächendeckende Versorgung mit modernen Computern und weitergebildeten Lehrern ist dringend notwendig. Dabei sollte man auch keine Scheu haben, neue Unterrichtsformen zu finden. Schon heute ist die Mehrzahl der Schüler, was das Internet angeht, ihren Lehrern haushoch überlegen. Warum nutzt man dieses Wissen der Schüler nicht? Hier würde sich die Chance für selbständiges Arbeiten geben, wie es auch später in der Wirtschaft der Fall ist. Das ließe sich vielleicht sogar trotz leerer Landeskassen relativ schnell bewerkstelligen, insbesondere wenn Sponsoren auch in den Schulen zugelassen würde.
Erst dann, wenn auch alte Zöpfe in der Schule abgeschnitten werden, wird der Fachkräftemangel aus eigener Kraft beseitigt werden können. "Kinder statt Inder" ist als Spruch zwar zu platt, trifft aber den Kern des Problems.

MiWi