Satire

Intrigen und Hiebe

Alles schon mal dagewesen

Burg Hohenbimbes zu Klein-Schwarzkonten. Beim Licht der untergehenden Sonne und dem Zirpen des Zaunkönigs trifft sich der Geheimbund der Christlichen Ritterschaft im alten Tresorsaal. Unter den vergilbten Bannern von eidgenössischen Kreditinstituten und Liechtensteinischen Stiftungen huschen Schattenwesen hin und her. Das Feuer in den an der Wand befestigten Kandelabern wirft unruhige Schatten. Ein aufkommender Sturm heult um die Burg. An der großen Tafel präsidiert Fürst Helmut der Erste und Einzige. Auf dem Tisch werden eifrig Millionenbeträge hin- und hergeschoben.

Fürst Helmut der Erste und Einzige: ... und 100.000 Bimbes an die treuen Vasallen im Marktflecken Oggersheim. (Übergibt eine schwarze kleine Geldtruhe an Kronprinz Wolfgang zu Gengenbach, der sich aufgrund seines löchrigen Gedächtnisses einen Vermerk in sein Terminpergament macht - wie immer auf der falschen Seite).

Landvogt Kanther: Nun laßt uns endlich zum eigentlich Zweck dieser Versammlung kommen.

Kiep der Kämmerer: Ich habe hier den letzten frisch korrigierten Rechenschaftsbericht. Danach entfallen 26 nicht vorhandene Millionen, die uns aber selbst gehören, auf verschiedene Konten und Schatztruhen, die von der Burg Wittgenstein zu uns unterwegs sind.

Nobbi der Hofnarr: Oooooh! 26 Millionen! Unsere Rendden sin sischer! (Brüllendes Gelächter)

Kronprinz Wolfgang: Wo hat denn Prinz Casimir das Geld her?

Fürst Helmut: Das ist nicht weiter wichtig. Es stammt von tapferen Rittersleut', denen ich mein Ehrenwort gegeben habe, sie niemals zu nennen. Und außerdem weiß ich jetzt noch nichts davon.

Der Sturm draußen wird deutlich lauter.

Kronprinz Wolfgang: Ich glaube nicht, daß das reicht, um die tosenden Gewalten milde zu stimmen.

Nobbi der Hofnarr: Jetzt bin isch aber ehrlisch menschlich enddäuscht von dir, Helmut. (klatschendes Geräusch)

Fürst Helmut: Schnauze, Nobbi!

Nobbi der Hofnarr (hält sich die Wange): Oder hat Prinz Casimir das Geheimnis der Alchemie entdeckt?

Fürst Helmut: Kommen wir zum nächsten Punkt -

Kronprinz Wolfgang: Äh, Helmut, eigentlich bin ich doch inzwischen der Chef -

Fürst Helmut: Meinetwegen. Also, welche meiner Entscheidungen wollt ihr als nächste demokratisch legitimieren?

Kiep der Kämmerer Nun, da wäre zum einen Jungknappe Roland der Hesse, der zur allgemeinen Überraschung die Schlacht auf den Kasselaunischen Feldern gewann und Hans den Langweiligen aus dem Lande verjagte. Ihn müssen wir zum Ritter schlagen und in die letzten Geheimnisse einweihen. Danach erwarten wir den Stoibereddi von Straußenstein, Ritter wider den tierischen Humor, und Gefolge.

Kronprinz Wolfgang: Und zuletzt müssen wir noch Burgfräulein Angela die Unschuld rauben (betretenes Schweigen). Ihr wißt schon, wie ich das meine! Sie -

Geheimer Ratgeber Weyrauch: Zuvor sollten wir sie eine Mutprobe ablegen lassen. Ich schlage vor, sie im Großherzogtum Luxemburg die Stiftung "Zur geistig-moralischen Wende" gründen zu lassen ...

Draußen hört man das Rumpeln von Karren. Dumpfes Klopfen am Burgtor. Weitere Bimbes-Truhen werden von jungen, wilden Pagen und Knappen in die Burg getragen.

Casimir Prinz zu Wittgenstein (betritt den Tresorraum): Fürst Helmut der Erste und Einzige, sei mir gegrüßt! Weitere Millionen für unsere gemeinsame Sache und dein persönliches Burgimperium bringe ich dir.

General Geißler (zaghaft aus der zweiten Reihe): Ist das denn legal?

Diese Frage wurde zwar beantwortet, leider ist die Antwort aber nicht überliefert. Überliefert ist hingegen, daß General Geißler und wenige seiner Getreuen spurlos verschwanden. Es wird angenommen, daß sie ähnlich wie das Burgschreckgespenst Rita im Burgverlies eingemauert wurden (im Volksmund auch "der Osten" genannt").

Jahre später. Während Raubritter Gerhard auf seiner alten Mähre Joschka mit seinen Truppen brandschatzend, mordend und plündernd durch die ehemals blühenden Landschaften zieht und die Bevölkerung durch immer neue Steuern auspreßt, verfällt Burg Hohenbimbes zusehends zur Ruine.

Burgfräulein Angela (immer noch unschuldig, erregt): Fürst Wolfgang, hört Ihr das Raunen des aufgebrachten Volkes, das unsere Ruine belagert? Sie wollen wissen, wo unser ganzer Bimbes, der sich bei uns hinter jedem Vorhang bis an die Decke türmt, herkommt. An ihrer Spitze steht das Thierse, ein übler Rotbart aus östlichen Gefilden. Es verlangt Rechenschaft über unsere Verwaltung.

Fürst Wolfgang (aus dessen Goldstuhl einige Dukaten kullern): Dann bleibt uns wohl nichts anders übrig, als brutalst aufzuklären.

Der Großintrigator Jürgen von Garz- und Brauweiler, Beschwörer der magischen Kristallkugel (taucht plötzlich im Tresorraum auf): Ich habe gesehen, wie der Pöbel nach Blut lechzt ... Man fordert einen Kopf!

Fürst Wolfgang: So laßt uns dem Thierse Kiep den Kämmerer vorwerfen und hoffen, daß er damit zufrieden ist.

Gesagt, getan. Unter wütendem Protest landet Kiep der Kämmerer unter der Meute, die ihn ziemlich unsanft behandelt. Doch die Belagerer denken nicht daran, die Burgruine in Frieden zu lassen.

Inzwischen tobt sich Raubritter Gerhard ungestraft weiter aus. Die Viehfutterpreise steigen auf über zwei Bimbes pro Einheit. Hans der Eintönige läßt das Gnadenbrot für die Alten weiter strecken. Der Burggraben füllt sich indessen mit verschiedenen geopferten Burginsassen, wie etwa der holden Baumeisterin, dem verschlagenen Lüthje und einigen Terlinden. Nur Fürst Helmut widersetzt sich standhaft allen Versuchen, ihn herunterzustoßen.

Fürst Wolfgang (wird nervös): Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, wo wir in dieser schwierigen Lage zusammenhalten und wie ein Mann -

Burgfräulein Angela: Oder eine Frau -

Fürst Wolfgang: - uns gegen den Pöbel und das Thierse zur Wehr setzen müssen. Schließlich sind wir alle eine große Gemeinschaft!

Alle stimmen zu. Auf einen kurzen Wink von Großintrigator Jürgen ergreifen Knappe Wulff von Osnabrück (der Andy Möller des Mittelalters), General Rühe und verschiedene aus dem Kerker Freigelassene den Goldstuhl des Fürsten und stoßen ihn in den Burggraben.

Unter den Übriggebliebenen entbrennt ein heftiger Kampf um die Führung der Ruine. Von rechts und links streben die Heerhaufen von Stoibereddi von Straußenstein und Raubritter Gerhard auf die Ruine zu. Im Burggraben plätschert eine Westerwelle vor sich hin.

Burgfräulein Angela (mit zerzausten Haaren): ... und ich sage Euch, ich bin schlau wie ein Fuchs, gerissen wie ein Wolf und unschuldig wie eine lila Kuh!

Nobbi der Hofnarr (singend): Ach wie gut, daß niemand weiß, wie der Spender wirklich heißt!

General Rühe: Ich habe Bimmbes nur ausgegeben, nie eingenommen. Ich weiß nicht einmal, wie man es richtig schreibt. Niemals habe ich nichts gewußt. Außerdem bin ich dagegen, Fürst Helmut zu verbannen. Vielleicht sollte man ihn besser teeren und federn und dann - Tür des Tresorsaals fliegt auf, der Stoibereddi in voller weiß-blauer Rüstung mitsamt dem Knappen Huber-Erwin stürmen in den Raum.

Stoibereddi (donnert): Ja seid's denn narrisch? Muß ich denn alles alleine machen?

Huber-Erwin: Die Weissagung der Kreuther-Hexe scheint einzutreffen ...

Stoibereddi: Schweig und führe dieses aufmüpfige Burgfräulein hinauf in ihre Kemenate zu ihrem Spinnrad, wo sie hingehört. Du, General Rühe, schwörst du mir die Vasallentreue?

General Rühe (wirft einen verzweifelten Blick auf die geschlossenen Reihen des Stoibereddi): Nun, Vasall wäre zu wenig - laß uns doch gemeinsam gegen Raubritter Gerhard -

Stoibereddi: Ins Verlies mit ihm! (zu seinen Leuten) Nehmt alle noch kampffähigen Truppenteile unter euer Kommando und schafft die Bimbestruhen hier beiseite. Danach werdet ihr die Burg schleifen.

Alter bayerischer Vasall mit buschigen Augenbrauen: Was sollen wir mit dem früheren Fürsten Helmut dem Ersten und Ehemaligen anfangen?

Stoibereddi: Wir lassen ihn durch die Kirche mit einem Saumagen-Bannfluch belegen und schicken ihn ins Exil an den Wolfgangsee in Haiderland.

G.D. / K.R. / MiWi