Politik

Der Neue

Nach Dürr und Ludewig liegt es nunmehr an Hartmut Mehdorn, das Unternehmen Zukunft, die Deutsche Bahn AG, in selbige zu führen.

Als Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG agiert er offiziell seit dem 16. Dezember vergangenen Jahres als Konzernchef.
Nach dem Regierungswechsel 1998 ließ sich die rot-grüne Regierungskoalition mehr als ein Jahr Zeit, den Kohl-Intimus Dr. Johannes Ludewig auf diesem Posten abzulösen. Daß man damit keine besondere Eile an den Tag legte, mag seine Ursache wohl auch darin gehabt haben, daß die Bahn AG spätestens seit dem ICE-Unglück von Eschede bis heute nicht mehr aus den negativen Schlagzeilen herauskam.
Von daher hat sich die Suche nach einem Nachfolger sicherlich nicht ganz so einfach gestaltet. Geeignete Bewerber um diesen Posten dürften nicht eben Schlange gestanden haben.


Kein Silberstreif

Nach ihrer Reform hängt die Bahn regelrecht durch, zeichnet sich kaum ein Silberstreif am Horizont ab. Ganz im Gegenteil: Die Leistungen des Bundes an die Bahn AG werden kontinuierlich zurückgeführt, ab dem Jahr 2003 gar gänzlich entfallen. Hinsichtlich der angestrebten Wirtschaftlichkeit steht der Bahn die eigentliche Nagelprobe somit erst noch bevor.
Eine andere Vorgabe, die man seinerzeit mit der Bahnreform verband, Attraktivierung und Ausbau des Anteils der Bahn am allgemeinen Verkehrsaufkommen, dürfte hingegen schon heute als gescheitert angesehen werden. Die Einbrüche der Bahn, insbesondere im Cargo-Bereich, führten mittlerweile schon wieder zu Forderungen, den Bereich Netz, also die Schienenfahrwege, wieder zu verstaatlichen.
Dabei handelt es sich gleichwohl um den Teil des Unternehmens, der zu den kostenintensivsten zählt. Das Erbe der Deutschen Bundes- und Reichsbahn wurde in fünf Führungsgesellschaften (Reise & Touristik, Regio, Station & Service sowie Cargo und Netz) aufgeteilt. Darüber hinaus gingen hundertsechzig Einzelfirmen aus dieser Erbmasse hervor. Dabei wurde die Zahl der Beschäftigten seit dem Jahr 1994 nahezu halbiert. Derzeit stehen bei der Bahn AG noch rund 243.000 Vollzeitkräfte in Lohn und Brot, Tendenz fallend. Weiterhin werden Strecken eingestellt, bei Ausschreibungen gegenüber dritten Anbietern unterliegt die Deutsche Bahn AG immer häufiger.
Dagegen gibt es im Bundesgebiet mittlerweile eine ganze Reihe von positiven Beispielen, wo stillgelegte Strecken durch andere Betreiber erfolgreich reaktiviert und durch die Nutzer des Schienenpersonenverkehrs angenommen wurden.
Die Misere der Bahn AG dürfte dabei gerade in ihrer Aufteilung in fünf Gesellschaften beziehungsweise Geschäftsbereiche liegen. Betriebswirtschaftlich mag die damit eingeführte Trennungsrechnung im Sinne der Kostentransparenz angebracht sein.
Für die Abwicklung des Eisenbahnbetriebes als solchen ist diese Konstellation jedoch die Ursache für die anhaltenden Schwierigkeiten bei der Bahn. Jeder Bereich steht unter Kostendruck und ist bemüht, Kosten an andere Geschäftsbereiche weiterzugeben. Allein von daher rührt eine gewisse Konkurrenz zwischen den einzelnen Unternehmensteilen her.


Aufspaltung fragwürdig

Dementsprechend ist es um die Stimmung und die Motivation des Personals bestellt. Gerade der Eisenbahnbetrieb erfordert in seiner ganzen Komplexität einem Uhrverk gleich das Ineinandergreifen vieler Rädchen. Umso mehr fehlt es bei den Mitarbeitern, insbesondere im Betriebsdienst, an Verständnis und Akzeptanz für die Bahnreform. Wenngleich die Konzernführung der Bahn AG dies offiziell nicht eingestehen mag, wird man neuerdings nicht müde, die Einheit und Ganzheitlichkeit der Bahn zu beschwören.
Jedenfalls wenn man den Verlautbarungen der "Bahn Zeit", Zeitung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Deutschen Bahn, Glauben schenken darf. In diesem Organ, seiner Aufmachung wegen in Insiderkreisen auch "Bahn Bild" genannt, läßt sich jedenfalls der designierte Bahnchef wie folgt zitieren: "Ich verstehe die Bahn als ein Ganzes, als eine Einheit. Nicht als das Nebeneinander von einigen großen und kleinen Gesellschaften, die alle mit unterschiedlichen Namen und Logos mehr auf Abgrenzung voneinander als auf Zusammenarbeit untereinander aus sind. So nerven wir uns nur gegenseitig und erregen im Markt und bei unseren Kunden Verwirrung und Kopfschütteln. Denn in der Öffentlichkeit hat sich etwas gehalten, was wir selbst wieder stärker entwickeln müssen: die Überzeugung, es gibt nur eine Bahn."
Mit dieser Einschätzung dürfte sich Hartmut Mehdorn auf der richtigen Fährte befinden. Ebenso spricht seine kritische Einschätzung der geplanten Transrapidverbindung Hamburg - Berlin für seine Person. Jedenfalls sprach er offen aus, daß eine konventionelle Schnellfahrtrasse mit ICE der Magnetschwebebahn Transrapid nur um schlappe zwanzig Minuten hinterherfahren würde.
Der als Manager, der die handwerkliche Seite des Managements noch wirklich beherrsche, gepriesene Mehdorn hat von der Eisenbahn als solcher freilich nur bedingt Ahnung.
Demnächst sollen von einem halben Dutzend Bahnknoten in Deutschland Städteverbindungen im halbstündigen Takt durchgebunden werden. Dies ist natürlich begrüßenswert, zumal sich der Fernverkehr für die Deutsche Bahn AG rechnet.


Langer Atem nötig

Daß dagegen der Personennahverkehr zurückstecken soll, ist umso bedenklicher. Zumal gerade hier ein langer Atem von Nöten ist, bevor ein Angebot am Markt eingeführt und angenommen wird. Vor diesem Hintergrund ist Hartmut Mehdorn nicht um seine Aufgabe zu beneiden.
Zumal mit der diesjährigen EXPO auf die Bahn eine weitere Bewährungsprobe zukommt. Bei prognostizierten 5,5 Millionen zusätzlichen Fahrgästen zur Weltausstellung geht man von einem Personalmehrbedarf von tausend zusätzlichen Mitarbeitern aus. Hier wird sich beweisen lassen, ob die Bahn wirklich mal wieder wie ein Räderwerk ineinandergreifen und funktionieren kann, ohne daß die Besucher schon genervt und verspätet in Hannover ankommen.