Politik

Parität

Die Situation ist da. 1 Euro kostet weniger als 1 Dollar.
Aber - zu unserer Überraschung dreht sich die Erde weiter, die Sonne scheint wie bisher, der Weltuntergang läßt weiter auf sich warten.
Trotzdem, peinlich ist es schon. Da wurde uns vor gut einem Jahr, zur Euro-Einführung, erzählt, was für eine starke Währung der Euro würde. Doch seitdem (siehe Graphik) ging es stetig bergab - von gut 1,17US-$ pro Euro auf derzeit 0,98$/Euro.

Euro


Wer sich nun verzweifelt die Haare rauft, den Untergang des alten Kontinents heraufziehen sieht und der D-Mark nachtrauert, macht es sich etwas zu einfach.
Der Grund für fallende Preise eines Gutes - und einer Währung - ist im allgemeinen fallende Nachfrage. Im letzten Jahr wollten einfach tendenziell mehr Menschen Dollar als Euro haben. Die Gründe sind auch nicht gerade schwer zu finden. Die US-Zinsen sind deutlich höher als die europäischen: für 3-Monats-Gelder werden 6% gezahlt, beim Euro sind es 3,3%.
Diese saftige Differenz bei risikolosen Finanzanlagen hat ihren Grund - die boomende US-Konjunktur, die nach fast zehn Jahren Aufschwung bis jetzt keine Anzeichen von Schwäche erkennen läßt. Als Folge dieses Booms befürchtet die amerikanische Notenbank, deren Ziel bekanntlich die Inflationsbekämpfung ist, steigende Preise. Eine Arbeitslosenquote von 4,3%, was faktisch Vollbeschäftigung bedeutet, signalisiert höhere Lohnsteigerungen. Und das könnte Inflation bedeuten.
Daher will die US-Notenbank das Wirtschaftswachstum mit hohen Zinsen vorsichtig "abkühlen", um eine Inflation im Keim zu ersticken. Bisher war diese Taktik erfolgreich. Ob es weiter klappen wird, ist allerdings fraglich.
In Europa hingegen ist von einem Boom - trotz besserer Zahlen - nicht die Rede. Die Arbeitslosenzahlen sind weiter hoch. Eine Zinserhöhung wird vielleicht kommen, aber die Differenz zu den USA dürfte sich erst einmal kaum verringern.
Der schwache Euro hat für die Europäer natürlich zwei Seiten. Einmal beflügelt er ihre Exporte (bei Rechnungslegung in Dollar bekommt man mehr Euro), andererseits verteuert er die Importe (bei Rechnungslegung in Dollar muß man mehr Euro hinblättern). Deutschland als traditionelles Exportland dürfte vom schwachen Euro (= starkem Dollar) unter dem Strich eher profitieren.
Da ein Euro 1,95583 D-Mark entspricht, entspricht die Euro-Dollar-Parität einem Dollarkurs von 1,95583 DM. Historisch betrachtet ist ein solcher Kurs nicht unüblich. In den achtziger Jahren war der Dollar sogar mal auf 3,47 DM geklettert, bis er von den Notenbanken gestoppt wurde.
In der Euro-Schwäche steckt allerdings auch ein Politik-Abschlag. Europas Image mit seinen vielen sozialdemokratischen, staatsverliebten Regierungen ist nicht sonderlich aufregend. Die Strukturen in Euroland und dort vor allem in Deutschland gelten als verkrustet, der Arbeitsmarkt als völlig unflexibel.
Amerika hingegen glänzt mit niedrigen Arbeitslosenquoten, Budgetüberschüssen (!) und einem Gründungsfieber im Hochtechnologiebereich. Gerade hier muß Europa viel aufholen.