Leverkusen

"Gewissensentscheidung"

Hans-Erich Hofmann ist SPD-Ratsherr und war bis vor kurzem Mitglied im Aufsichtsrat der Abfallwirtschaftsgesellschaft Leverkusen (AWL). Aus Protest gegen die Empfehlung des Aufsichtsrates für eine Berufungsverhandlung im Fall Welzenberg ist er zurückgetreten. Wir sprachen mit ihm.

POLITEIA: Warum sind Sie von Ihrem AWL-Aufsichtsratsposten zurückgetreten?

Hofmann: Weil ich die Frage zur Durchführung eines Berufungsverfahrens (Anm. der Redaktion: gegen den früheren AWL-Geschäftsführer Bernd Welzenberg) für eine Gewissensentscheidung halte - so habe ich das im Rat erklärt und deshalb bin ich konsequenter Weise zurückgetreten.

Was ist der Anlaß für Ihre Meinungsänderung - nachdem Sie vor ca. einem Jahr für eine Klage gegen Herrn Welzenberg gestimmt haben?

Weil jetzt eine Wertung eines neutralen Gerichtes vorliegt - im Gegensatz zur damaligen Sache, wo also Berichte des Rechnungsprüfungsamtes vorlagen und Aussagen, die aber nur einer reinen persönlichen Wertung zufolge untersucht werden konnten. Hier hat aber jemand Neutrales - ein Gericht - das untersucht und ist zu einem Urteil gekommen. Das ist ein grundsätzlicher gravierender Unterschied.

Ihre Entscheidung, aus dem Aufsichtsrat zurückzutreten, ist erst gefallen, als der Rat für die Fortführung der Klage votiert hat. Sind Sie der Meinung, daß der Rat sich in Zukunft lieber prinzipiell aus Entscheidungen des Aufsichtsrates heraushalten sollte?

Nein, bin ich nicht. Die Stadt ist ja auch der Eigner - der also die Hoheit darüber hat -, und dem Rat obliegt letztlich die Entscheidung. Es gibt ein Weisungsrecht an den Aufsichtsrat. Und so ist ja auch die logische Fortsetzung meiner Entscheidung. Da der Rat eine andere Weisung gegeben hat, als ich es erwartet hatte, war die Konsequenz, wenn ich der Weisung keine Folge leisten wollte, mein Mandat niederlegen. Denn ich bin ja nicht in der Lage, im Aufsichtsrat selbst anders zu entscheiden - gegen eine Weisung desjenigen Gremiums, das mich dahin entsandt hat.

Kann man da von einem Gewissenskonflikt zwischen Ratsmandat und Aufsichtsratsmandat sprechen?

Ich würde das nicht ausschließen. Nur habe ich in meinem konkreten Falle ja schon im Rat dagegen gestimmt, wie Sie wissen.

Ist ein möglicher Grund für Ihren Rücktritt aus dem Aufsichtsrat auch der geplante Verkauf der AWL an die Energieversorgungsgesellschaft Leverkusen (EVL) oder an die RWE?

Das sind die Spekulationen, die zur Zeit laufen. Die standen nicht im Zusammenhang mit meinem Rücktritt.

Sprechen Sie sich denn für einen Verkauf an die EVL/RWE aus?

Nein.

Sind sie der Meinung, daß die AWL vollständig oder teilweise verkauft werden soll?

Ich denke, daß die AWL zukünftig Schwierigkeiten auf dem Markt haben wird, und unter diesem Aspekt muß sehr sorgfältig überlegt werden, ob nicht ein Dritter ins Boot mitgenommen wird.

Welche Schwierigkeiten können das sein?

Die Abfallmengen, die neue Kölner Anlage und der Wettbewerb allgemein.

Wie sehen Sie im Zusammenhang mit der Welzenberg-Klage und dem möglichen Verkauf der AWL die Rolle des Aufsichtsrates?

Ich denke, daß der Aufsichtsrat in seiner Entscheidung schon freier sein sollte. Weil er ja auch sehr viele Detailfragen kennt, dadurch auch viele Fakten sich permanent zur Brust nimmt und sich damit beschäftigt. Nun muß ich im Aufsichtsrat auch differenzieren. Die Arbeitnehmervertreter - denen ich ja grundsätzlich schon sehr nahe stehe - haben ja gerade in diesem Falle ganz anders votiert, und das stimmt mich schon bedenklich. Es ist wohl ein Unterschied, nur das Wohl des Betriebes im Auge zu haben oder nur die Stimmen aus der Belegschaft. Da sehe ich schon Differenzierungen.

Nur im Bezug auf die Entlassung oder auch im Bezug auf die Verkaufsbestrebungen?

Auch. Und auch das ganze Verhalten - das Gesamtverhalten z.B. der Arbeitnehmerverterter, die, denke ich, wären besser beraten gewesen, sie hätten sich etwas zurückgenommen.

Wir danken Ihnen für das Interview.

A.N.