Holocaust-Gedenktag: Ausstellungseröffnung zum Gedenken Raoul Wallenberg


Archivmeldung aus dem Jahr 2013
Veröffentlicht: 28.01.2013 // Quelle: Stadtverwaltung

Seit 1985 heißt die Opladener Umgehungstraße Raoul-Wallenberg-Straße. Eine Ausstellung zeigt jetzt, wer Raoul Wallenberg war und was er in den letzten Monaten des Dritten Reiches leistete, um ungarische Juden vor der Deportation nach Auschwitz zu retten. In der „Galerie im Forum“ eröffnete aus Anlass des Holocaust-Gedenktages die Ausstellung „Lichter in der Finsternis“ - Raoul Wallenberg.

Oberbürgermeister Reinhard Buchhorn erinnerte an den schwedischen Diplomaten, der seit 1945 verschollen ist: „Wallenbergs Schicksal wird wohl nie geklärt werden, seine Leistung allerdings ist weltweit anerkannt.“ Kurator und Buchautor Christoph Gann referierte über die Bedeutung Raoul Wallenbergs und berichtete, dass Dokumente und auch neuere Zeugenaussagen nahelegen, dass Wallenberg in sowjetischen Gefängnissen umkam. Im Anschluss an die Ausstellungseröffnung zeigte das Kommunale Kino den Dokumentarfilm „Der Fall Raoul Wallenberg – Retter und Opfer“ (Deutschland 2005) des Regisseurs Klaus Dexel.

Hier die Rede des Oberbürgermeisters:
"Sehr geehrter Herr Gann,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich begrüße Sie sehr herzlich zur Eröffnung der Ausstellung: „Lichter in der Finsternis“ – eine Ausstellung, die uns das Leben und Wirken Raoul Wallenbergs näher bringt. Vielleicht erinnert sich der ein oder andere von Ihnen: Diese Ausstellung wurde in Leverkusen 1998 auf Initiative des damaligen Frischluft e. V. (und der Jungen Union) schon einmal gezeigt. Heute wird Ihnen der Kurator und Buchautor Christoph Gann die neuesten Forschungsergebnisse über das Leben Raoul Wallenbergs nahebringen.

100 Jahre wäre der schwedische Diplomat im vergangenen Jahr geworden. Wie alt er tatsächlich wurde, wird wohl immer verborgen bleiben.

Seine Spur verliert sich 1945. Nach dem Einmarsch der Roten Armee in Budapest hatte sich Raoul Wallenberg um die angemessene Versorgung der von ihm geschützten Juden bemüht und war deshalb in das sowjetische Hauptquartier bestellt worden. Am 17. Januar 1945 kehrte er in Begleitung zweier sowjetischer Soldaten nach Budapest zurück und äußerte, noch scherzhaft, dass er nicht wisse, ob er Gast oder Gefangener der Sowjets sei.

Danach blieb er verschollen.

In den ersten Jahren nach Wallenbergs Verschwinden leugnete die Sowjetunion noch, Wallenberg inhaftiert zu haben. Kriegsgefangene jedoch, die aus der UdSSR zurückkamen, bezeugten, Wallenberg in Gefängnissen und Lagern in verschiedenen Gegenden der Sowjetunion gesehen zu haben.

Wegen dieser Berichte richtete Schweden Mitte der 50er Jahre eine dringende Anfrage an die Sowjetunion, um Informationen über Wallenberg zu erhalten. 1956 antworteten die entsprechenden Behörden, sie hätten einen Bericht über Wallenbergs Tod im Jahre 1947 in einem sowjetischen Gefängnis gefunden. Diese Behauptung stand jedoch im Widerspruch zu anderen Zeugnissen und wurde von Wallenbergs Familie nicht akzeptiert.

Wallenbergs Schicksal wird wohl nie geklärt werden, seine Leistung allerdings ist weltweit anerkannt. Durch schwedische Schutzpässe und die Vereitlung eines Sprengstoffattentats auf die jüdischen Ghettos Budapests rettete er über hunderttausend Menschen das Leben. Und das nicht etwa als Diplomat vom Schreibtisch aus, sondern mit persönlichem Einsatz und auch dort, wo die Verzweifelten eingepfercht waren.

Im Laufe der Jahre entstanden mehrere Filme und Dokumentationen über Raoul Wallenberg, zwei Opern und mehrere Bücher. Straßen und Plätze wurden nach ihm benannt. In Leverkusen regte die Junge Union 1985 an, die Opladener Umgehungstraße nach Raoul Wallenberg zu benennen.

Der Name ist uns deshalb in Leverkusen wohl bekannt, und die meisten wissen auch, dass Raoul Wallenberg einer der wenigen war, der den Nationalsozialisten zu trotzen wagte.

Die neuerliche Auseinandersetzung mit ihm macht uns aber einmal mehr klar, wieviel ein einzelner zu erreichen vermochte –wie sehr er sich aber auch selbst damit in Gefahr brachte. Raoul Wallenberg wurde zwar kein Opfer des nationalsozialistischen Deutschland, aber wohl das erste Opfer des Kalten Krieges, noch bevor der zweite Weltkrieg vorbei war. Er verschwand am 17. Januar 1945.

In Auschwitz wiederum wurden am 17. Januar 1945 noch über 65.000 Menschen gezählt, zehn Tage später, am 27. Januar befreiten die Soldaten gerade noch 7.650 Überlebende. Alle anderen, alle gehfähigen Häftlinge waren wenige Tage zuvor von der SS abtransportiert oder auf einen Todesmarsch geführt worden, weg von der Front. Allein die verbliebenen Depots sprachen aber eine beredte Sprache. Die Rotarmisten registrieren 368.820 Herrenanzüge, 883.255 Frauenkleider, 5.525 Paar Damenschuhe. In der Gerberei fanden sich sieben Tonnen Frauenhaar. Weiterhin Berge von Brillen, Zahnprothesen, und Kindersachen: Kleidchen, Puppen, Babyrasseln.

Der Name „Auschwitz" ist seitdem zum Symbol für den Holocaust geworden.

Auschwitz war eines der größten nationalsozialistischen Konzentrationslager, eines der sechs Vernichtungslager. Insgesamt gab es 24 selbstständige KZ-Stammlager, denen zuletzt ein Netz von weit über 1.000 Außen- oder Nebenlagern organisatorisch unterstellt waren.

Insgesamt fielen dem Holocaust über sechs Millionen Menschen zum Opfer. Seit 2002 erinnert die Stadt Leverkusen regelmäßig an den Tag, an dem die verbliebenen Menschen im Lager Auschwitz befreit wurden.

Wir haben uns zum Holocaust-Gedenktag thematisch schon mit vielen Aspekten der Shoa befasst. Themen wie „Emigration“ und „Rückkehr in der Nachkriegszeit“ wurden aufgegriffen, das Untergrundarchiv des Warschauer Ghettos, das Konzentrationslager Natzweiler-Struthof das Wirken katholischer Geistlicher beleuchtet. Zuletzt wurde erinnert an Georg Elser, den Mann, der 1939 ein missglücktes Attentat auf Hitler verübte und an Varian Fry, der viele Juden vom besetzten Frankreich aus rettete.

Organisiert wurden alle bisherigen Veranstaltungen von der Volkshochschule Leverkusen, denn das Gedenken an den Holocaust ist ein ganz wichtiger Teil der politischen Bildung.

Wir Deutschen haben inzwischen unsere eigene Geschichte des Erinnerns. Überwog im Dritten Reich und der unmittelbaren Nachkriegszeit noch die Scham und die Verleugnung, die von „das haben wir nicht gewusst“ bis zu „Alles Feindpropaganda“ ging, begann in den späten Sechzigern und frühen Siebzigern die Auseinandersetzung mit diesem Thema – eine Auseinandersetzung, die bis heute nicht aufgehört hat und der wir nicht entgehen können, nicht entgehen dürfen. Denn wir sind mindestens durch unsere eigene Familiengeschichte mit dem Dritten Reich verknüpft.

Unsere Eltern, Großeltern oder Urgroßeltern mussten sich in diesem System zurechtfinden, haben vielleicht sogar daran geglaubt, viele haben geschwiegen, manche haben vielleicht passiv Widerstand geleistet und einige wenige hatten den Todesmut, aktiv dagegen anzugehen.

Bei seinen Rettungsaktionen soll sich Raoul Wallenberg immer wieder entschuldigt haben: „Ich möchte Ihnen allen gerne helfen, aber bitte verzeihen Sie mir, ich kann nur wenige retten“.

Im Jahr 1966 wurde ihm von der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem posthum der Titel „Gerechter unter den Völkern“ verliehen. Die dafür geprägte Medaille trägt auf ihrer Rückseite diesen Satz:

„Wer immer ein Menschenleben rettet, hat damit gleichsam eine ganze Welt gerettet.“

Dem bleibt nichts hinzuzufügen."


Anschriften aus dem Artikel: Albert-Einstein-Str 58, Alte Landstr 129

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